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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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das, an der Wasserlinie des Schiffs versprühten Düsen einen Thermoplastikschaum, der den Eisberg schützen sollte, wo er der Erosion durch die Wellen am stärksten ausgesetzt war. Aber der wirklich schwere Teil kam, wenn sie die Krampentaue verlängern mussten, mit denen Eisberg und Schiff verbunden waren, damit sie um den Berg herummanövrieren konnten. Aber Nakata war Spitze darin. Sie lichteten die Anker und fuhren um die abgelegene Flanke des Bergs herum. Der Bestäubte Eisberg war sinnbetörend schön, ein schimmernder Gletscher aus weißem Licht.
    »Das Wackeln da gefällt mir aber gar nicht«, sagte Hitchcock immer wieder.
    »Das spielt keine Rolle mehr, wenn wir erst mal unterwegs sind«, erwiderte Carpenter.
    Die Hitze war wie ein Hammer geworden, der auf die dunkle kühle Wasserfläche einschlug, sie mischte die Thermalschichten durcheinander, peitschte die Strömungen hoch und wirbelte alles wie in einer Zentrifuge durcheinander. Sie hatten wohl ein bisschen zu lange gewartet, ehe sie sich an die Arbeit machten. Der Berg war stark angefressen, neigte sich schwer luv, schwankte, rollte tief zur Seite wie eine von diesen japanischen Stehaufpuppen und schwankte dann wieder zurück. Gotte mochte wissen, was das Kalmarschiff drüben von der See auszustehen hatte, aber von dieser Seite aus konnte Carpenter es nicht mehr sehen. Er kreiste weiter, bis die gesamte Länge der Krampentaue ausgeschöpft war, dann fuhren sie wieder im Bogen die gleiche Strecke zurück.
    Als sie wieder auf der Leeseite waren, sah er, was für eine See das Kalmarschiff abgekriegt hatte. Das Schiff war abgesoffen. Die Eiszunge, an der es geankert hatte, war aus der See hochgestiegen und hatte es getroffen wie der Fußtritt eines Riesen.
    »Jesus Christus«, brummte Hitchcock neben ihm. »Das musste gesehen haben! Die Arschlöcher sind da einfach hocken geblieben!«
    Die Calamari Maru holte See über wie verrückt und war dicht vor dem Sinken. Das Meer wirbelte von einer Armada von gerade freigekommenen Kalmaren, die sich hastig in alle Richtungen verstreuten und mit Höchstgeschwindigkeit fortschwammen. Im Schatten des Eisbergs tanzten drei Dinghis in den Wellen.
    »Das musste gesehen haben!«, sagte Hitchcock wieder.
    »Maschinen an!«, befahl Carpenter. »Verschwinden wir verdammt schnell von hier.«
    Hitchcock sah ihn ungläubig aus zusammengekniffenen Augen an.
    »Meinst du das wirklich, Cap'n? Im Ernst?«
    »Ja, verdammt noch mal!«
    »Scheiße«, sagte Hitchcock. »Was für eine verdammte, beschissene, lausige Welt.«
    »Mach schon! Lass die Maschinen anlaufen!«
    »Du willst also tatsächlich drei vollbesetzte Boote von 'nem sinkenden Schiff da drüben einfach im Wasser sitzen lassen?«
    »Genau. Du hast es geschnallt.« Carpenter hatte das Gefühl, als steckte ihm der Kopf voll Wolle. Denk nicht nach, befahl er sich. Über gar nichts. Mach einfach weiter! »Und jetzt lass die Maschinen an, ja?«
    »Das ist zuviel«, sagte Hitchcock leise und bewegte langsam den Kopf von einer Seite zur anderen. »Das geht verdammt zu weit.«
    Er schnaufte wie ein angeschossener Büffel und machte zwei, drei torkelnde Schritte auf Carpenter zu. Die Arme baumelten lose, die Hände waren halbgeschlossen. Die Augen waren zu Schlitzen verengt, und das Gesicht wirkte merkwürdig gedunsen. Er baute sich über Carpenter auf, ein dunkler massiger Brocken von einem Mann, und er keuchte und knurrte vor sich hin. Er wirkte halb so groß wie der ganze Eisberg dort drüben.
    O Scheiße, dachte Carpenter. Jetzt geht's los. Jetzt hab ich meine ganz eigene Meuterei auf dem Hals.
    Hitchcock brummte und kollerte weiter und schloss die Hände zu Fäusten. Verärgerung, vermischt mit Furcht schoss durch Carpenter, und er riss den Arm hoch, ohne zu denken, schlug heftig zu und traf den älteren Mann schnell und hart auf den Mund, so dass dessen Kopf nach hinten gerissen wurde und er gegen die Reling taumelte. Er prallte zurück. Sekundenlang sah es so aus, als würde er zu Boden gehen, doch es gelang ihm, sich auf den Füßen zu halten. Eine Art Schluchzen kam aus seiner Kehle, nicht eigentlich ein Schluchzen, eher schon ein Grunzen. Über die weißen Bartstoppeln am Kinn breitete sich eine hellrote Blutspur.
    Hitchcock war momentan benommen. Dann wurden die Augen wieder scharf, und er blickte Carpenter erstaunt an.
    »Ich hatte nicht vor, dich zu schlagen, Cap'n«, sagte Hitchcock und zwinkerte heftig mit den Augenlidern. Die Stimme hatte einen weichen, gedämpften

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