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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ihr, dass sie mich so aufgenommen hat, fast ohne Ankündigung von mir, sie sagte einfach, ich soll gleich zu ihr kommen. Ein Hafen im Sturm. Sehr willkommen.«
    »Auf die Häfen. Die Stürme!« Rhodes hob das Glas zu einem neuen Toast. Trank aus. Goss beide Gläser voll.
    »He, mach langsam«, sagte Carpenter. »Ich bin kein so bodenloses Loch wie du.«
    »Aber klar bist du das. Du hast bloß deine Kapazität nicht voll ausgeschöpft.« Rhodes goss sein Glas erneut voll und schenkte Carpenter nach. Er sah eine Weile stumpf brütend auf seine Schuhe. Sagte endlich: »Ich denke, ich werde den Job bei Kyocera annehmen.«
    »Oh?«
    »Ich bin noch nicht sicher. Aber es steht sechzig zu vierzig, dass ich's tue. Vielleicht Siebzig-dreißig. Übermorgen gebe ich ihnen meine definitive Entscheidung.«
    »Du nimmst den Job. Ich weiß, du wirst.«
    »Aber es macht mir Angst. Mit Wu Fang-shui zu arbeiten. Wir werden Wunder vollbringen, das weiß ich. Und genau das ist das Problem. Meine gute alte Angst vor dem Erfolg.«
    »Du hast vielleicht Angst davor, aber du liebst den Erfolg auch. Nimm den Job an, Nick. Lass dich nicht aufhalten, verwandle uns alle in Ungeheuer. Das isses, was die verfluchte Welt verdient hat.«
    »Genau. Prost!«
    »Prost! Weg damit!«
    Sie lachten.
    Dann sagte Rhodes: »Wenn ich zu Kyocera gehe, vielleicht kann ich dann dort was für dich finden. Was meinst du dazu?«
    »Du machst dich über mich lustig. Du und Jolanda, ihr alle beide. Die hat vorhin auch schon gesagt, sie will mit ihrem Freund Farkas wegen einer Stelle bei denen reden. Habt ihr denn alle keinen Funken gesunden Verstand? Ich bin der Kerl, der einen Haufen von ihren Kyoceraleuten auf See verrecken ließ, hast du das vergessen?«
    »Das ist denen doch scheißegal, sobald ein bisschen Gras drüber gewachsen ist. Ich kann sie vielleicht dazu kriegen, dich einzustellen, als Gefälligkeit, oder dieser Farkas könnte das vielleicht sogar noch leichter hinbekommen. Du änderst deinen Namen, damit das nicht zu schief aussieht, und die schieben dich irgendwo rein. Höchstwahrscheinlich in 'ner niedrigeren Klasse, als deiner bisherigen, aber du kannst dich ja wieder hocharbeiten. Exzellenz strebt immer nach oben und setzt sich durch.«
    »Du spinnst. Bei Kyocera bekäme ich nicht mal 'nen Händedruck.«
    »Ich kenn da einen Dreiermann bei denen. Ehrlich. Wenn ich dem sage, sie können mich nicht kriegen, wenn sie nicht meinem Freund eine Stellung geben, der kürzlich ein bisschen Pech hatte und ein angeknackstes Image wegen einer Geschichte, der aber bemüht ist, sich unter einem andren Namen zu rehabilitieren, und einen neuen Anfang braucht …«
    »Mach das nicht!«
    »Warum nicht?«
    »Weil es dumm ist«, sagte Carpenter. »Dumm und unmöglich. Versuch's nicht mal. Bitte, Nick!«
    »Aber was willst du denn dann machen?«
    »Aus irgendwelchen Gründen fragt mich das jetzt jeder. Und ich sage, ich weiß es nicht. Aber ich glaube nicht, dass ich bei Kyocera eine Zukunft habe. Schluss!«
    »Na ja, könnte sein. Da, trink noch was.«
    »Sollte ich eigentlich nicht. Ich schaff das Zeug nicht so gut wie du«, sagte Carpenter.
    »Ach, lass dich mal gehen! Verdammt, warum nicht?«
     
    Mitten in der Nacht irgendwann bemerkte Carpenter ohne die geringste Panik deswegen, dass er in ein Delirium zu sacken begann. Sie saßen immer noch an dem Tisch in Rhodes' Wohnzimmer, zwei leere Flaschen vor sich, vielleicht waren es auch drei (so unwichtige Details ließen sich inzwischen nicht mehr genau erkennen), und Rhodes füllte weiter automatisch ihre Gläser mit Alkohol, als wäre er ein durchgeknallter Android hinter einer Bar. Ihr Gespräch war mehr und mehr schon lange erloschen. Die Lichter von San Francisco gegenüber erloschen nach und nach ebenfalls. Es war vielleicht zwei Uhr nachts, vielleicht schon drei oder vier Uhr morgens.
    Über die Fensterscheiben krochen jetzt Ranken. Große schlangenhafte Reben, so dick wie sein Arm, mit kleinen kalmarähnlichen Saugnäpfen und dichten Blattbüscheln. Alles wurde grün. Die Luft draußen war von einem grünen Dunst erfüllt. Leichter, stetiger Regen. Grün. Auf eine magische Weise hatte die Dürre an der Westküste ein Ende gefunden, und San Francisco und die Bay Area gehörten nun auch zu dem erdumfassenden Treibhaus und waren voller üppiger krebshafter tropischer Wucherungen.
    Carpenter spähte durch das Grüngewächs aus dem Fenster. Die Verwandlung über Nacht war verblüffend. Grünes Licht spielte über dem

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