Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
Treibhausgasen um unseren kreisenden Erdball! Denk an die gestrigen Aktiennotierungen! – an Zahnpasta! – an Orangen! – an die Sixtinische Kapelle!
– an Kamele auf dem Marktplatz in Beersheba!
– an Lamm-Kebabs, die überm Feuer zischen!
– an die Korallenbänke vor Eilat!
– an … die … die …
Doch in eben diesem Augenblick wich der Druck. Das Toben in seinem Blut legte sich, seine Erektion schwand. Er bekam wieder Luft und zwang sich, wieder ruhig zu werden.
Es war sehr still im Raum. Er zwang sich dazu, die Frau anzusehen. Und dann sah er, dass sie lächelte – verstohlen – vielleicht wissend? Hatte sie gemerkt, was ihm geschehen war? Es war unmöglich zu sagen. Aber sie musste wissen, was für eine Wirkung ihr Werk auf ihn gehabt hatte. Andererseits sollte doch jeder Mensch individuell verschieden darauf reagieren. Es war eine rein subjektive Art des Kunsterlebnisses.
Er würde nichts preisgeben. Wie sie gesagt hatte, es war seine ganz persönliche Angelegenheit, wie er ihre Kunst erlebte. »Außerordentlich«, sagte er zu ihr. »Unvergesslich.« Seine raue keuchende Stimme klang ihm beinahe fremd in den Ohren.
»Ach, es freut mich aber riesig, dass es dir gefallen hat. Sollen wir jetzt den Agamemnon machen?«, fragte sie fröhlich.
»Vielleicht ein bisschen später. Ich möchte gern – noch genießen, was du mir bereits gezeigt hast. Darüber nachdenken, wenn es dir recht ist.« Er schwitzte, als hätte er einen Zehnkilometerlauf hinter sich. »Geht das? Können wir die dritte Arbeit für später aufheben?«
»Es kann manchmal ganz schön umwerfend sein«, sagte sie.
»Und falls es hier was zu trinken gibt …«
»Aber sicher. Wie dumm von mir, dich gleich hier reinzuschleifen, ohne dir etwas anzubieten.«
Sie nahm ihm die Elektroden ab. Dann brachte sie eine Flasche Wein. Weißwein, warm und überzuckert. Diese Amerikaner! Von nichts hatten sie eine Ahnung, was wichtig war! Sanft fragte er, ob sie vielleicht Rotwein hätte, und sie wurde auch da fündig, nur war er leider noch schlechter, schmeckte staubig, das Zeug, und steckte wahrscheinlich voller scheußlicher Schadstoffe und grässlicher Insektizidreste. Sie verließen das Studio und machten es sich auf einer Art Diwan vor einem langen niederen Fenster in einem der vorderen Zimmer bequem, wo sie in einen Sonnenuntergang von bestürzender photochemischer Komplexität betrachteten, einen geradezu wagnerianischen überwältigenden Weltuntergang: gigantische scharfe gezackte Streifen von Scharlachrot und Gold, Grün und Violett und Türkis kämpften wild gegeneinander um die Dominanz im Himmel über San Francisco. Hin und wieder stieß Jolanda einen tiefen Seufzer aus und wackelte in einem freudigen ästhetischen Schaudern mit den Schultern. Oh, ja. Ja. Gottes schöner Privathimmel, in spektakulärer Illumination durch Gottes persönliche Industriegifte.
Bald gehen wir zum Dinner aus, dachte Enron, und dann werde ich sie all das fragen, was ich erfahren muss, und dann gehen wir hierher zurück und ich lege sie gleich hier auf dem dicken Orientteppich um, und dann fahre ich zurück in die Stadt und werde sie nie wiedersehen, und ein Schwein soll mich beißen, wenn ich zulasse, dass sie mir noch mal diese Elektroden verpasst, nicht heute Abend und auch in keiner anderen Nacht.
Aber zuerst kam seine Recherche. Wie konnte man das Thema unter diesen Umständen wechseln und auf sein Hauptinteresse zu sprechen kommen? Da war ein wenig Manövertaktik nötig. Und in Anbetracht des ganzen romantischen Theaters, das sich da am Himmel abspielte …
Wie sich herausstellen sollte, kam er weit schneller zum Punkt seiner Enquête, als er es erwartet hätte. Während sie so dasaßen und den Sonnenuntergang betrachteten, gab Jolanda ihm selbst das Stichwort.
»Neulich abends beim Dinner, Marty, sagte Isabelle, dass du ein Spion bist. Erinnerst du dich?«
Enron kicherte. »Aber sicher. Sie sagte, ich bin ein Spion von Kyocera-Merck.«
»Und? Bist du's?«
»Du bist so charmant direkt. Sehr amerikanisch, finde ich das.«
»Ach, ich denke nur so. Ich war noch nie mit einem Spion im Bett. Jedenfalls soweit ich weiß. Außer, du bist einer. Bist du einer? Es wäre interessant, das zu wissen.«
»Aber sicher bin ich einer«, sagte er. »Alle Israelis sind Spione. Das ist doch eine allseits bekannte Tatsache.«
Jolanda zog einen Schmollmund und goss beiden die Gläser wieder mit dem abscheulichen Wein voll.
»Nein, nein. Es stimmt schon. Wir
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