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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Planeten. Könnte es sein, dass diese Feinde, vor denen deine Leute sich so fürchten, einfach nur in eurer Vorstellung existieren?«
    »Unsre Geschichte lehrt uns, dass wir auf der Hut sein müssen«, sagte er. »Dreitausend Jahre lang von einem Land zum andern vertrieben zu werden, von Menschen, die uns ablehnten oder uns beneideten, oder die uns ganz einfach als Sündenböcke missbrauchen wollten. Wieso sollte sich da heute etwas geändert haben? Wir müssten sehr dumm sein, wenn wir glauben würden, dass das Goldene Tausendjährige Reich angebrochen sei.« Auf einmal fühlte Enron sich in die Enge getrieben. Das war eine für ihn unbekannte Erfahrung. Er war an diesem Abend mit ihr zusammen, um Fragen zu stellen, nicht um welche zu beantworten. Aber sie erwies sich als recht zäh. Er trank einen großen Schluck von dem scheußlichen Wein. »Die Assyrer schlachteten uns ab. Die Römer brannten unseren Tempel nieder. Die Kreuzfahrer gaben uns die Schuld am Tod Christi.« Der Wein glitt nun etwas leichter durch die Kehle. »Hast du von den Todeslagern gehört, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts die Deutschen eingerichtet hatten?«, fragte er. »Sechs Millionen von uns ermordet, aus keinem anderen Grund, als weil sie Juden waren. Die Überlebenden gingen dann nach Israel. Rings um uns herum lebten Moslems, die uns hassten. Sie schworen, sie würden zu Ende führen, was die deutschen Nazis begonnen hatten, und sie haben es auch mehrmals versucht. Es ist nicht leicht, ein gelassenes, arbeitsames Leben zu führen, wenn am anderen Ufer des Flusses ein Feind lauert, der dir einen Heiligen Krieg erklärt hat.«
    »Aber das war doch vor langer Zeit. Heute sind die Araber eure Freunde.«
    »Es ist angenehm, das zu glauben, nicht wahr? Ja, der Reichtum aus ihren Ölquellen ist dahin, und obwohl unsere Region jetzt fruchtbarer ist als vor den Klimaveränderungen, sind die arabischen Länder doch stark überbevölkert, also können sie sich den Luxus ihres Heiligen Krieges nicht mehr erlauben, den sie sonst höchstwahrscheinlich gern fortsetzen möchten. Und deshalb wandten sie sich an ihre plötzlich angenehmen Nachbarn, die Israelis, und baten um technische und industrielle Unterstützung. Wir sind nun alle Freunde, ja. Partner. Doch das kann sich leicht ändern. Aber da sich die Lage auf der Erde zunehmend verschlimmert, könnten jene, die nicht über unsere Vorteile verfügen, beschließen, sich gegen uns zu wenden. Es ist früher auch schon so gewesen.«
    »Ihr seid schrecklich argwöhnische Leute!«
    »Argwöhnisch? Aber es gibt doch Grund genug dafür! Und darum bleiben wir stets wachsam. Wir schicken unsere Agenten überall hin, damit sie Ärger herausschnüffeln. So machen wir uns zum Beispiel Sorgen wegen der Japaner.«
    »Die Japaner? Warum?«
    Enron merkte, dass er einen leichten Schwips bekam. Auch das war bei ihm ungewöhnlich.
    Er sagte: »Sie sind ein scheußliches Volk. Ich meine, so voller Hass. Sie besitzen solch große Reichtümer, und trotzdem sind sie elende Exilanten. Leben ihr paranoides, abgeschirmtes Leben in ihren kleinen Hochsicherheitsenklaven hier und dort auf der Erde, eingesperrt hinter Mauern, voll Zorn und Bitterkeit, weil sie ihre Heimat verlassen mussten, von allen anderen wegen ihres Geldes und ihrer Macht gehasst, und sie hassen doppelt zurück, weil sich ihr Hass aus derart heftiger Ablehnung und Neid nährt. Und am meisten hassen sie uns Israelis, weil auch wir einst Vertriebene waren, und weil es uns gelungen ist, in unsere Heimat zurückzukehren, und es ist ein wunderschönes Land, und weil wir stark sind und tüchtig und ihnen jetzt auf der ganzen Welt ihre Machtpositionen streitig machen.«
    Seine Hand hatte dabei weiter zwischen ihren Schenkeln herumgetastet. Nun presste sie die Beine um sein Handgelenk, nicht sosehr, um ihn am weiteren Vordringen zu hindern, sondern um ihn dort spielerisch festzuhalten. Wollte sie nun reden, oder wollte sie Sex? Wahrscheinlich beides zugleich, dachte er. Beides schien bei ihr irgendwie zusammen zu gehören. Sie ist eine manische Schwätzerin, dachte er, diese Hyperdexdroge, die sie nimmt, löst das aus, und eine sexbesessene Nymphomanin ist sie auch. Ich sollte das ganze Geschwätz abbrechen und sie einfach runter auf den Teppich zerren. Und sie dann zum Dinner abschleppen. Er hatte ein Gefühl, als hätte er seit drei Tagen nichts mehr gegessen.
    Aber auch er war irgendwie nicht fähig, seinen Redeschwall zu bremsen.
    »Die Zufälligkeiten des

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