Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
Jolanda sah nachdenklich in ihr Weinglas. »Höchstwahrscheinlich hast du recht. Schließlich, wenn Israel seine eigene Adapto-Technologie aufbauen will, und wenn du hier bist, um rauszufinden, was die bei Samurai tatsächlich bereits haben in dieser Hinsicht, dann würde sie ja, indem sie dir hilft, gleichzeitig die Sache der Adaptos unterstützen. Und du weißt doch, wie sie über sowas denkt.«
»Ja.«
»Und ich übrigens auch. Ich finde das schrecklich und bedrohlich. Ehrlich, ich kriege Gänsehaut bei dem Gedanken.«
Das alles hatten sie früher schon durchgehechelt. Enron gab sich Mühe, die Geduld mit ihr nicht zu verlieren. »Aber wenn es unvermeidlich ist? Wenn die Adaptation die einzige Möglichkeit ist, die uns bleibt, um menschliches Leben auf der Erde zu erhalten …«
»Wieso ist es so wichtig, dass die menschliche Spezies auf der Erde leben bleibt, wenn diese Erde dermaßen kaputt ist? Wir könnten schließlich alle auswandern, in die Habitate im Weltraum.«
Er schenkte ihr Wein nach. Die Sonne war untergegangen, der Himmel dunkelte rasch zu tiefer Schwärze. Auf der anderen Seite der Bucht blinkten die Lichter von San Francisco zitternd in dem dichten Dunst auf. Wie beiläufig irrte Enrons Hand über Jolandas üppigen Körper: die Brüste, den Bauch, dann das Knie, dann den Schenkel aufwärts. Derartige Vorspiele würden ihr die Zunge lösen, dachte er. Aber die war vielleicht sowieso die ganze Zeit ziemlich ungehemmt. Er streichelte dennoch weiter. Sie saß mit geschlossenen Augen und zurückgeworfenem Kopf da. Eine der Katzen sprang zu Enron herauf und begann den Kopf gegen seinen Ellbogen zu reiben. Er stieß das Tier mit einer kurzen Bewegung beiseite.
Ruhig sagte er: »Wir lieben unser Land. Wir haben jahrhundertelang um seinen Besitz gekämpft. Wir haben kein Verlangen, es jetzt zu verlassen, nicht einmal für ein Neues Israel im Himmel.«
»Die Japaner haben aber ihr Land verlassen. Jedenfalls die reichen Japaner. Die sind jetzt über den ganzen Globus verstreut. Und sie liebten ihr Land genauso wie ihr eures. Aber sie sind weggegangen. Wenn die das konnten, wieso nicht ihr auch?«
»Sie sind weg, ja, aber weil ihre Inseln vom ansteigenden Meeresspiegel überflutet wurden. Ihnen ging das ganze fruchtbare Land verloren, und die meisten ihrer Städte dazu, und es blieben ihnen nichts als kahle Berge übrig. Sonst wären sie nie fortgezogen. Sie würden sich noch immer weiter an jeden Stein klammern. Aber es blieb ihnen keine andere Wahl. Genau wie wir einst Israel verließen und in die Diaspora gingen, vor langer Zeit, vor zwei-, dreitausend Jahren, weil uns unsere Feinde dazu zwangen. Und dann, eines Tages, kehrten wir zurück. Wir kämpften, wir litten, wir bauten auf und kämpften weiter. Und jetzt leben wir im Garten Eden. Der süße Regen regnet vom Himmel, die weiten Wüstenstriche grünen. Wir werden nicht wieder fortgehen.«
»Aber wozu soll das gut sein, zu bleiben, wenn alles so anders sein wird?« Ihre Stimme war geisterhaft dünn geworden, als käme sie von ganz weit her. »Wenn wir alle zu grässlichen Adaptowesen mutieren, wird dann jemand unter uns noch menschlich sein? Wirst du noch jüdisch sein, wenn du grünes Blut hast und Kiemen?«
Enron lächelte. »Ich glaube nicht, dass in der Bibel irgend etwas darüber steht, welche Farbe unser Blut haben muss. Da steht nur, dass wir das Gesetz befolgen und ein anständiges Leben führen müssen.«
Sie überlegte eine Weile.
»Und es ist anständig, ein Spion zu sein?«, sagte sie dann.
»Aber gewiss doch. Es ist eine uralte Tradition. Als Josuah daran ging, uns über den Jordan zu führen, schickte er zwei Spione in das Land am anderen Ufer voraus, und die kehrten zurück und berichteten ihm, dass die Überquerung gefahrlos sei und dass die Leute, die drüben lebten, wie versteinert waren, als sie hörten, dass der HERR ihr Land den Juden geschenkt hatte. Diese zwei Spione sind in der Bibel nicht mit ihrem Namen aufgeführt. Es waren aber die ersten Geheimagenten.«
»Ich verstehe.«
»Und bis zum heutigen Tag senden wir unsere Kundschafter aus, damit sie Gefahren erkunden«, sagte Enron. »Daran ist doch nichts Unehrenhaftes.«
»Ihr Juden seht überall nur Feinde, wie?«
»Wir sehen Gefahren.«
»Wenn es Gefahren gibt, muss es Feinde geben. Aber die Zeiten sind doch längst vorbei, in denen es Kriege zwischen Völkern gegeben hat. Es gibt keine Feinde mehr. Wir sind heute alle Verbündete im Kampf zur Rettung des
Weitere Kostenlose Bücher