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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Wundreinigung, eine wunderbare Erfindung. Weißt du noch, wenn du als Kind hingefallen bist und dir das Knie aufgeschlagen hast? Man hatte Steinchen und Schmutz in der Wunde, und es war schrecklich, wenn sie mit Jod gereinigt wurde. Das ist vorbei. Jetzt sprüht man das hier auf die Stelle, ich glaube, es enthält ein mildes Betäubungsmittel, und natürlich ist es antibakteriell.«
    Conall las die Gebrauchsanweisung. »Verstehe, es entfernt ›Fremdkörper‹. Das sind die –«
    » – Steinchen und der Schmutz, genau!«
    »Mann, fast wünschte ich mir, ich hätte mir das Knie aufgeschlagen, damit ich es ausprobieren könnte.«
    Sie warf ihm einen Blick zu, beide fingen an zu lachen, und er sagte: »Wirklich, Katie, ich mache mich nicht lustig. Ich finde es echt interessant. Und was ist das hier?«
    »Sprühpflaster. Für schwierige Stellen, wo ein normales Klebepflaster nicht hält. Man sprüht einfach was davon drauf.«
    Er drückte auf die Düse, und ein Tropfen Flüssigkeit
verteilte sich zischend auf seinem Finger. »Es ist sofort trocken! Guck mal!« Er wedelte vor ihr mit der Hand. »Und es funktioniert wie ein Heftpflaster?«
    »Die Wunde kann sich so nicht mehr infizieren.«
    »Ich beginne zu begreifen. Das ist wirklich spannend.«
    »Das scheint neu zu sein.« Sie nahm eine Flasche in die Hand, deren Aufschrift sie als Echinacea-Mundspülung entziffert hatte. »Manchmal findet man im Ausland etwas, das man zu Hause nicht bekommt. Das hier ist bestimmt toll für den Winter … wenn man das Gefühl hat, man bekommt Halsschmerzen.«
    Er bestand darauf, die Flasche für sie zu kaufen.
    Sie wusste, dass er eigentlich nicht verstand, was es mit den Apotheken auf sich hatte, das tat niemand. Aber das Wichtige war, dass er bereit war, es zu versuchen.
    SIEBENUNDDREISSIG TAGE …
    Vierhundert Euro kostete der Besuch. Vierhundert Euro, für die sie sich praktisch beschuldigen lassen musste, dass sie Mum in eine Anstalt einweisen lassen wollte, um an ihr Geld zu kommen. Als wären sie in einem Roman des neunzehnten Jahrhunderts, vielleicht in einem der Romane von den Brontës. Lydia war keine große Leserin, sie wusste es also nicht genau, aber irgendetwas in der Art glaubte sie, in der Schule gelesen zu haben.
    William Copeland, dieser Idiot.
    Und in gewisser Weise, das musste Lydia zugeben, war der ganze Irkutsk-mäßige Schlamassel tatsächlich eine
Frage des Geldes. Als ihre Mutter anfing, im Kopf komisch zu werden, hatte Lydia Angst bekommen – Angst, dass ihre Mutter sich verändern oder sterben würde. Und wenn sie ihre Ängste erforschte, sie Schicht für Schicht überprüfte, dann stellte sie fest, dass sich unter allen anderen Ängsten die Angst verbarg – wie es immer schon in ihrem Leben gewesen war –, dass am Ende nicht genug Geld da sein könnte. Wenn jetzt ihre Mutter in ein Heim musste? Dafür musste jemand bezahlen, und anders als andere Familien hatten die Duffys keine Rücklagen.
    Ihrer Mutter gehörte das Haus nicht, in dem sie wohnte, Lydia hatte kein Geld, Murdy hatte kein Geld, Raymond hatte kein Geld, und Ronnie führte sich so auf , als hätte er kein Geld, aber er war einer von denen, die, wenn sie irgendwann ins Gras bissen, Millionen hinterließen, nur dass er nicht der Typ war, der im Hier und Jetzt davon abgeben würde.
    Während ihre Brüder lauthals behaupteten, dass alles zum Besten stünde, hatte Lydia das andere Extrem gewählt und bereitete sich auf eine Katastrophe vor. Sie arbeitete rund um die Uhr, sie kaufte keine schicken Sneaker mehr, sie war in eine billigere Wohnung gezogen, sie hatte angefangen, Lotto zu spielen.
    Sie war sogar in ein paar Pflegeheimen gewesen, großer Gott, der Horror! Überall alte Leute, uralte sogar. Sie hatte alte Menschen nie richtig wahrgenommen, nicht im wirklichen Leben, und hier waren die lebendigen Toten versammelt. Und der Geruch! Es stimmte, was man sich erzählte – dass es in diesen Heimen überall nach Pisse roch. Wirklich, es war grässlich! Sollte es jemals so
weit kommen, konnten sie Mum unmöglich in ein solches Heim geben. Abgesehen davon, dass Lydia es sich nicht leisten konnte. In beiden Fällen waren die Kosten das schimmelige Sahnehäubchen auf einer madigen Torte.

    »Steig ein, Mum.«
    »Nein.«
    »Komm schon, wir fahren nach Hause.«
    Ellen befreite sich aus Lydias Griff. »Lass mich los, Sally!«
    »Ach, jetzt schaltest du also wieder auf verrückt. He!«, rief Lydia zu dem Fenster im zweiten Stock hinauf, wo sie gerade

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