Der hellste Stern am Himmel
eine Reise nach Australien buchen und, ich zitiere, ›ihr Erbe durchbringen‹ werden. Diese Kinder sind der Meinung, ihre Eltern haben den Verstand verloren.«
Ihre Reaktion dauerte einen Moment. »Ich habe nicht die Absicht, Mum in eine Anstalt zu stecken, damit ich ihr Geld stehlen kann! Sie hat gar kein Geld! Mum besitzt nicht einmal das Haus, in dem sie wohnt.«
Copeland sah sie unverwandt an, als wollte er sie dazu bringen, sich zu ihren falschen Beschuldigungen zu bekennen, und plötzlich fiel Lydia wieder das ein, was jeder wusste: Alle Psychiater waren verrückt, viel verrückter als ihre Patienten.
Nach einer langen Pause sagte Dr. Copeland: »Lydia, was genau wollen Sie für Ihre Mutter?«
»Ich möchte gern eine Bezeichnung. Für das, was ihr fehlt, dann kann man ihr Medikamente geben, und dann wird sie wieder normal.«
»Damit sie das Haus saubermacht?«
»Damit sie wieder so ist wie früher.«
SIEBENUNDDREISSIG TAGE …
Es stimmte nicht, dass Conall, wie Naomi behauptete, nie mit Katie verreist war. Sie hatten ein Wochenende in Budapest verbracht sowie vier Tage in einem fabelhaften Hotel auf Ibiza (die leider auf zwei zusammenschrumpften, weil der Flug verspätet war), aber Katies schönste Erinnerung war die an ihre erste gemeinsame Reise. Sie waren noch keinen Monat zusammen, als Conall mit Flugscheinen nach Tallinn zu ihr kam. Er versuchte immer noch, das Glyndebourne-Fiasko wiedergutzumachen. »Ich habe mich für Tallinn entschieden, weil es da eine sechshundert Jahre alte Apotheke gibt«, hatte er erklärt, »und ich weiß, dass du Apotheken und dergleichen liebst.«
Sie kamen spät am Freitagabend dort an, und am nächsten Morgen gingen sie als Erstes zu der Apotheke. Obwohl, eigentlich war es eher ihre vierte oder fünfte Tat an dem Morgen, so wie sie sich erinnerte. Sie waren in dem Bett mit geschwungenem Kopfteil und geschnitztem Rahmen aufgewacht, hatten ausgiebigen Sex und verzehrten zum Frühstück Erdbeeren und Champagner. Man konnte über Conall sagen, was man wollte, man konnte ihn prahlerisch nennen, aber was immer er tat, er tat es mit Stil. Irgendwann standen sie auf und unterhielten sich mit dem Herrn am Empfang über Stadtpläne und Sehenswürdigkeiten. Oder Conall machte das. Katie interessierte sich nicht für dergleichen. Sie fand, das war Männersache: bunte Marker, Kreuze auf dem Stadtplan, und so weiter. Als das Gespräch zu Ende war, wollte Katie nach draußen, wo die Sonne schien, aber Conall führte sie wieder zur Treppe zurück.
»Nur ein paar Minuten«, murmelte er mit einem Glitzern in den Augen.
Sie stolperten wieder in die Suite, die sie gerade verlassen hatten, stürzten sich geräuschvoll aufs Bett und vergnügten sich bei einem unvorhergesehenen, schnellen, aber sehr genussvollen Nümmerchen.
»Also gut.« Conall stellte Katie auf die Füße und half ihr, den Büstenhalter zu verschließen. »Jetzt zur Apotheke, zweiter Versuch.«
Es war das Tadsch Mahal aller Apotheken – wunderschön und altmodisch. Die Einbauschränke an den Wänden rundum hatten Schubfächer, und oben auf den Schränken standen braune Gläser mit chemischen Symbolen auf den Schildern. Das Licht, von fleckigen Spiegeln reflektiert, war matt und Achtung gebietend. Aber die Apotheke war auch eine moderne Verkaufsstätte, und eine Vielzahl von heutigen Produkten stand zum Verkauf bereit.
»Komm«, sagte Conall, »zeig mir das alles.« Er zog sie zu sich. »Bist du etwa … also, kein Grund, verlegen zu sein.«
»Natürlich bin ich verlegen«, sagte sie. »Außer mir kenne ich niemanden, der in eine Apotheke geht, um dort zu stöbern.«
»Und ich stöbere in Eisenwarenhandlungen. Unsere nächsten Ferien verbringen wir in dem größten Eisenwarengeschäft der Welt. Und wir beide stöbern gern in Schreibwarenläden.«
»Bist du sicher, dass dich das hier interessiert?«
»Ich schwöre es. Zeig mir die Sachen, die dir Spaß machen.« Er nahm eine Schachtel. »Was ist das hier?«
»Eine spezielle Seife gegen Akne.« Nichts Besonderes.
Sie hielt sich nicht mit den Haut- und Haarprodukten auf, denn obwohl er ihr ermutigend zunickte, vermutete sie, dass sein Überschwang nur vorgetäuscht war. Außerdem interessierte sie sich am meisten für die Dinge in der Erste-Hilfe-Abteilung, wo es raffinierte neue Entwicklungen gab.
»Was ist das denn?« Er nahm eine zylindrische Flasche in die Hand.
»Oh, Conall.« Sie konnte ihre Begeisterung nicht verhehlen. »Das ist ein Spray zur
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