Der hellste Stern am Himmel
hatte solche Angst, dass ich dich nicht bekommen könnte.«
»Und sieh dir an, was daraus geworden ist. Drei Jahre später versuchst du dich umzubringen.«
Der Schock traf sie mit erneuter Wucht, und sie brach in Tränen aus.
»Maeve, bitte, ich dachte einfach, es wäre für dich
besser, wenn ich nicht mehr da wäre. Ich dachte, ich wäre nicht gut für dich.«
»Ja? Aber du bist doch gut für mich.«
Sie schlang die Arme um ihn und hielt ihn ganz fest, sie presste sich an die Festigkeit, sein Da-sein, seine Wärme, das Leben in ihm, sie spürte sein Herz an ihrem schlagen.
»Mach das nie wieder«, flüsterte sie. »Es war schlimmer als alles andere, was in den letzten drei Jahren passiert ist. Tausendmal schlimmer.«
»Kommen Sie herein, kommen Sie doch, die Post liegt in der Küche. Ich habe keine Zeit für Höflichkeiten, ich gucke nämlich gerade –«
Leise fragte Oleksander Shevchenko: »Finden Sie mein Bett bequem?«
Lydia hatte sich schon abgewandt, aber bei dieser Unverschämtheit drehte sie sich wieder zu ihm um und hatte schon eine schnippische Antwort auf der Zunge. Diese Frechheit. Immer diese Männer in letzter Zeit mit ihren Frechheiten.
»Mein Bett …?«, beharrte er anzüglich. »Gefällt Ihnen?«
»Um ehrlich zu sein«, entgegnete Lydia und sah ihm direkt in die Augen, »Ihr Bett gefällt mir tatsächlich.« Herumstreunende Männer mit ihren Anzüglichkeiten hatte sie schnell im Griff.
Moment mal! Ihre Herzen klopfen wild durcheinander, gleich hier auf der Schwelle, bei Blitzlicht und Applaus, wie ein einarmiger Bandit, wenn man den Jackpot gewinnt.
Reicht das denn? Ist noch Zeit? Können sie sich in den
nächsten zweiundzwanzig Minuten ineinander verlieben und miteinander schlafen? Denn länger habe ich nicht mehr.
Dann fiel Lydia – nein, nein, nein – die junge Frau ein, die einmal nach Oleksander gefragt hatte, der sie versprochen hatte, Oleksander die Telefonnummer zu geben, sollte er noch mal vorbeikommen. Und Lydia hielt ihre Versprechen. »Jemand hat nach Ihnen gefragt.«
Angst machte sich auf seinem Gesicht breit. »Große Männer mit Pistolen?«
»Nein, eine junge Frau.«
»Ich habe einen Witz gemacht.« Er seufzte betrübt. »Ukrainer lieben es, Witze zu machen. Wie ihr Iren scherzen wir gern, aber die Sprachbarriere … Ich mache den ganzen Tag Witze, aber kein Ire versteht mich.«
»Wollen Sie die Briefe haben oder nicht?«
Er folgte ihr in die Küche, wo sie nach dem Stapel Post suchte.
»Die Frau, die gefragt hat«, sagte er. »Hieß sie Viktoriya?«
»Nein«, sagte Lydia nachdenklich. »Nicht Viktoriya, nein. Ich glaube, sie hieß Siobhan, eine irische Gerichtsvollzieherin, die Sie pfänden wollte.«
Er sah sie entsetzt an. »Aber ich habe keine … ich bin nicht …«
Lydia ließ drei Sekunden verstreichen. Vier. Fünf. Dann sagte sie, als könnte sie kein Wässerchen trüben: »Ich habe einen Witz gemacht.«
»Ah! Sie erlauben sich einen Scherz mit mir!«
»Einen Scherz, ganz recht. Ich habe gehört, so etwas mögen Sie.«
Oh, diese beiden passen perfekt zusammen, einfach perfekt! Hochgezogene Augenbrauen und Widerborstigkeit und reichlich anzügliche Blicke. Könnte ich sie nur in Richtung Schlafzimmer bugsieren … Lydia würde mir keine Vorhaltungen machen und sagen, dass sie nicht mit einem Mann schläft, den sie erst seit zehn Minuten kennt. Wenn es darum geht, das Leben beim Schopf zu packen, ist sie die Richtige.
»Ja, es war Viktoriya.«
Was kümmert euch Viktoriya? Vergesst sie, vergesst sie!
Oleksanders Gesicht hellte sich auf. Und wurde wieder düster. »Ich habe keine Telefonnummer.«
»Ich habe sie notiert. Und ich sollte Ihnen etwas ausrichten …« Wie war das noch gleich? »Über einen Mann. Den Mann –«
»Vom Landwirtschaftsministerium?«
»Genau. Ich soll Ihnen ausrichten, er roch nach Kühen.«
Oleksander lachte leise. »Schlechter Geruch, ja?«
»Es sei denn, man mag den Geruch von Kühen. Hier ist die Telefonnummer.« Lydia hatte den Zettel gefunden. »Und hier die Post.«
Noch zwanzig Minuten
Das einzige Geräusch im Zimmer war das Ticken der großen hölzernen Standuhr. Jemima hatte die Augen friedlich geschlossen, und Katie, Conall und Grollo saßen still bei ihr. Katie hatte jeden Gedanken an Entkommen
aufgegeben, und an der Gelassenheit, die von Conall ausging, erkannte sie, dass auch er endlich alle Pläne von lebensrettenden Maßnahmen und Chemotherapie fahrengelassen hatte. Im Zimmer war es so still und
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