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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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für Albernheiten. Man musste sie nur ansehen, dann wusste man, dass sie ziegelsteinschwere Biografien über verdienstvolle Frauen las, bis spät in die Nacht Rotwein trank und über Dekonstruktivismus debattierte. Außerdem war es durchaus möglich, dass sie einen Segelschein hatte.
    Sie übte ihren Beruf in einer Praxis in der Eglinton Road aus, wo in einem kleinen Raum zwei bequeme, aber nicht zu bequeme Stühle standen. Eine Schachtel mit Kleenex-Tüchern stand in Reichweite auf dem kleinen Tisch.
    Während Maeve sich zu einer mitleiderregenden Brezel verknotete, war Dr. Shrigleys Ausdruck bewundernswert: teilnahmsvoll, aber nicht herablassend; geduldig, aber nicht aufopfernd; interessiert, aber nicht neugierig. Sie erweckte den Eindruck, als könne sie den ganzen Tag warten oder wenigstens doch so lange, bis die Stunde um war, und dass es ganz und gar unerheblich war,
wenn niemand etwas sagte. Sollte aber Maeve doch den Mund aufmachen, nun, dann würde sie sich gern anhören, was immer Maeve erzählen wollte.
    Kein Wunder, dass man so lange studieren musste, wenn man Therapeut werden wollte: Es dauerte bestimmt Jahre, bis man diesen Ausdruck kultiviert hatte.
    Dr. Shrigley war eine gute Frau. Hinter ihrer Maske der professionellen Sachlichkeit schlug ein liebevolles, teilnahmsvolles Herz. Obwohl sie wusste, dass sie die Grenzen verletzte, konnte sie nicht umhin, um Maeve besorgt zu sein. Sie dachte oft an sie, zwischen den wöchentlichen Sitzungen. Sie konnte die Maeve sehen, die Maeve früher gewesen war, und manchmal konnte sie auch die Maeve sehen, zu der Maeve werden konnte, wenn sie beharrlich weitermachte, aber Dr. Shrigley befürchtete, Maeve könnte die Hoffnung verlieren und aufgeben, bevor sie geheilt und gesund war.
    Nach einer Weile sprach Maeve: »Ich habe immer das Gute in den Menschen gesehen. Ich habe die Welt für gut gehalten, aber jetzt …«
    »Ihr Vertrauen ist missbraucht worden, und es erfordert Zeit, bis es wiederhergestellt ist.«
    »Aber wie lange noch? Es dauert schon so lange.«
    Dr. Shrigley versuchte ein ermutigendes Lächeln, aber ihre Lippen zitterten ein wenig. »Es ist Ihr Weg, Maeve. Es ist schwer, aber Sie müssen ihn gehen. Sie müssen einen Fuß vor den anderen setzen und weitermachen.«
    »Wird es mir wieder so gehen wie früher?«
    »Ja, aber wir wissen nicht wann.«
    »Ich vollbringe immer noch täglich eine gute Tat und schreibe am Abend meinen dreifachen Segen auf. Das
mache ich jetzt seit Monaten. Das zählt doch auch, oder?«
    Dr. Shrigley nickte. Sie befürchtete, dass Maeve zu viel davon erwartete, aber andererseits schadete es ihr sicherlich auch nicht. »Das ist garantiert eine Möglichkeit, wie Sie Ihr Vertrauen in das Gute in der Welt wiedergewinnen können.«
    Maeve nickte.
    »Die Zeit ist um«, sagte Dr. Shrigley. »Nächste Woche zur selben Zeit?«
    Wieder nickte Maeve.
    »Und dass Sie letzte Woche abgesagt hatten …? Ging es Ihnen einfach nicht gut? War das der Grund?«
    Maeve konnte ihr nicht in die Augen sehen. »Das war der Grund.«
    Maeve musste schnell fahren, um ihre Gefühle in Schach zu halten. Auf der Ranelagh Road hatte sie eine gute Strecke, sie strampelte energisch, ihre Lungen füllten sich mit Luft, und als sie sah, dass die Ampel vor ihr auf Rot umschaltete, konnte sie einfach nicht anhalten. Sie musste es riskieren. Sie schoss auf die Kreuzung hinaus, und plötzlich war da ein Auto neben ihr und drohte sie umzufahren. Sie trat fester in die Pedale, das Auto wich aus, und unter lautem Gehupe hinter sich kam sie auf der anderen Seite an. In Sicherheit. Es hatte nicht länger als eine Sekunde gedauert. Ihr Herz klopfte wie wild. Das war wirklich sehr riskant gewesen, aber sie hatte sich nicht bremsen können, und jetzt war sie in Sicherheit, oder? Einen Moment lang empfand sie sogar ein Glücksgefühl, doch das Gefühl schwand, je mehr sie sich ihrer Wohnung näherte. Das lag an Fionn. Sie wollte ihm nicht
begegnen. Am Morgen, als sie mit Matt aus dem Haus kam, war er ihnen wieder über den Weg gelaufen. Er stieg gerade ins Auto und hatte sie angesehen, mit so viel … so viel … Wenn der Fahrer nicht die Tür zugeschlagen hätte, wäre er vielleicht zu ihr gekommen, und als das Auto abfuhr, hatte Fionn durch das Rückfenster geguckt, bis das Auto am Ende der Straße abgebogen war.

NEUNUNDVIERZIG TAGE
    Katie hatte ein Vermögen für ihr Kleid ausgegeben. Und ein weiteres für ihre Schuhe – goldene Riemchensandalen von Dolce & Gabbana,

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