Der hellste Stern am Himmel
erfuhren, dass Katie der Sache ein Ende gemacht hatte, waren sie sprachlos.
»Du?«, kreischte Naomi. »Ich dachte, er hätte sich in letzter Zeit gebessert und sein Handy ausgestellt, wenn er mit dir zusammen war.«
»Das schon.«
»Was war es dann …?«
»Ich kann es nicht richtig erklären, Naomi. Ich war es
einfach leid. Er steht unter solchem Druck, und das werde ich niemals verstehen. Er hat mir einmal erklärt, dass Arbeit sein eigentlicher Antrieb sei. Anscheinend haben wir alle einen solchen Antrieb.«
»Unsinn. Ich bestimmt nicht. Du etwa?«
»Das Einzige, was mich antreibt, ist die Essen-Klamotten-Sport-Spirale. Die heilige Dreieinigkeit. Wie viel kann ich essen, ohne dass ich aus allen Nähten platze. Wie viel Sport muss ich treiben, damit ich so viel essen kann, wie ich will. Es ist klar, dass wir sehr unterschiedlich sind.«
»Aber er machte sich doch ganz gut. Die ganze Arbeit, die du in ihn reingesteckt hast, die ganze Mühe!«
Erzähl es mir nicht . »Davon hat die nächste Frau was.«
Naomi fand das schwer erträglich. »Aber das ist nicht fair! Wirst du ihn nicht vermissen?«
»Wohl kaum, so selten, wie wir uns gesehen haben.«
»Ihr habt euch wohl gesehen.«
»Meine Güte, du schlägst ganz andere Töne an.«
»Ich weiß, du glaubst, dass wir ihn alle verabscheut haben –«
»Das stimmt auch.«
» – ja, in gewisser Weise stimmt das auch. Aber das lag daran, dass er den Eindruck erweckte, es sei ihm nicht wichtig. Er hat eure Beziehung nicht als etwas Langfristiges betrachtet.«
»Und weil er so elegant ist.«
»Das war nur Dad. Und auch nur, weil er neidisch war.«
»Ich behaupte ja nicht, dass Conall ein schlechter Mensch ist«, sagte Katie. »Das ist er nämlich nicht. Aber
weißt du was, Naomi? Wenn er kein Workaholic wäre, wenn er zuverlässig und … und … normal gewesen wäre, dann hätte er sich nicht mit mir abgegeben. Dann wäre er mit einer wie Carla Bruni verheiratet.«
»Das sind ja tiefschürfende Gedanken. Erklär es mir noch mal ganz genau – du vermisst ihn nicht mal? Obwohl, es war ja erst gestern. Mal sehen, wie es in einer Woche ist.«
»Naomi, bitte … ich versuche nicht daran zu denken. Die Vorstellung von ihm mit einer anderen …«
»Und eine andere findet er bestimmt schnell, oder?«
»Hör doch bitte auf, ja? Das weiß ich doch alles, du brauchst nicht die Einzelheiten aufzuzählen.«
»Aber wenn es dir so wehtut, warum –«
Wie sollte sie das erklären? Die Gewissheit, dass das Leben ohne Conall weniger schmerzhaft war als das mit ihm? Dass Einsamkeit einer chronischen Enttäuschung vorzuziehen war?
»Weil …« Ja, das stimmte doch! Sag es, mach schon. »Weil ich finde, ich habe Besseres verdient.«
Naomi gab ein seltsames kleines Quieken von sich. Sie versuchte, die schrecklichen Wörter runterzuschlucken, aber sie drängten sich mit Macht heraus. »Verdient? Du bist vierzig, Katie! Das ist ziemlich alt. Zugegeben, wir leben heute länger, haben besseres Essen und alles, aber trotzdem, dein Leben ist wahrscheinlich zur Hälfte vorbei! Was man verdient hat, spielt da keine Rolle. Man nimmt, was man bekommt, und man sollte dafür dankbar sein.«
»Vielleicht sollte auch Conall dankbar sein. Ist es dir je in den Sinn gekommen, dass er vielleicht der war, der
Glück hatte? Ich habe ihn sehr glücklich gemacht. Mehr als andersherum.«
Darauf war es still in der Leitung: Naomi war sprachlos. Nach einer langen Pause fragte sie: »Hast du wieder so einen Kurs mitgemacht? Ist Granny Spade dir erschienen und hat dich zu so einem verrückten Kurs geschickt?«
»Nein, aber es stimmt, ich klinge ein bisschen komisch. Nicht wie sonst.«
Naomi seufzte. »Das ist ja eine Katastrophe.«
»Ich dachte, du würdest dich freuen, dass er weg ist.«
»Aber er hatte sich doch gerade gebessert.« Naomi schien den Tränen nah.
»Naomi, bloß, weil ich denke, ich hätte Besseres verdient, heißt das nicht, dass ich es bekomme. Im Gegenteil, ich bin mir sicher, dass ich es nicht bekomme.«
»Wirklich?« Naomi klang beruhigt.
»Wirklich.«
Na, dann war ja alles in Ordnung.
FÜNFUNDVIERZIG TAGE
»Gilbert, ich habe mit –« Lydia unterbrach sich. Wenn sie Gilbert die Wahrheit sagen wollte, dann sollte sie es richtig tun. »Ich habe mit Andrej geschlafen.«
Sie wartete darauf, dass sich seine Miene verdüsterte, aber von einem kleinen Flackern in den Augen abgesehen, blieb Gilberts Gesicht ausdruckslos. Nachdem er sie so einen Moment lang angestarrt
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