Der Henker will leben Kommissar Morry
ihn gründlich zu erschrecken. Ich wollte sehen, wie er darauf reagierte ... ich wollte feststellen, ob er mich eines Mordes tatsächlich für fähig hielt, und was er zu unternehmen gedachte!"
„Was denn... du hast die ganze Zeit über gemogelt?" stammelte Ferrick bestürzt. „Das kann doch nicht wahr sein!"
„Entschuldige, Albert... es war ein sehr geschmackloser Spaß!"
„Mensch, Marcus... ich hatte bisher keine Ahnung, daß du in der Lage bist, deine Phantasie Amok laufen zu lassen!"
Porezzi wandte sich an Inspektor Claremont. „Nur eines begreife ich nicht: wie konnten Sie wissen, daß ich eine erfundene Geschichte zum besten gab?"
Claremont lächelte. „Diese Frage ist rasch beantwortet. Wir haben Deila Glyne gefunden.“
Porezzi stieß erleichtert die Luft aus. „Dem Himmel sei Dank! Ich bin ja so froh! Wo ist sie...?“
Claremont war ernst geworden. „Es ist nicht so, wie Sie denken, Mr. Porezzi. Das Mädchen ist tot."
„Tot?" stammelte Porezzi.
„Leider. Sie lag jedoch nicht auf dem Grund des Flusses, wie Sie eben angaben, sie ist auch nicht erdrosselt worden. Man hat sie erschossen."
„Erschossen?" fragte Porezzi ungläubig. „Deila?"
Claremont nickte. „Mit einer Pistole des Kalibers 22. Das Mädchen muß sofort tot gewesen sein."
„Ist es gelungen, die genaue Todeszeit zu ermitteln?"
„So ungefähr. Deila Glyne wurde in der Nacht vom Montag zum Dienstag erschossen."
„Von wem?"
„Das wissen wir noch nicht. Als ich von der Mordkommission hörte, daß man das Mädchen gefunden hat, bin ich sofort im Auftrag von Mr. Croft nach hier gefahren, um Sie zu informieren."
„Ich fange an, die ganze Welt für verrückt und verdorben zu halten!" murmelte Ferrick.
„Deila ist tot!" murmelte Porezzi mit gebrochener Stimme. „Ich schäme mich so, daß ich sie zum Mittelpunkt dieser gräßlichen, erfundenen Story gemacht habe!"
„Der Teufel hat Sie geritten. Das haben Sie ja selbst gesagt", meinte Claremont.
„Das ist keine Entschuldigung. Es war eine geschmacklose Entgleisung."
„Es passiert einem schon mal, daß man Takt und Fingerspitzengefühl vermissen läßt."
„Was wird jetzt geschehen?" erkundigte sich Porezzi.
Claremont rümpfte die Nase. „Man wird den Mörder zu fassen versuchen."
„Glauben Sie, daß zwischen Deilas Tod und dem Mord an Elliot ein Zusammenhang besteht?"
„Das sollte mich nicht überraschen."
„Aber wie sollte dieser Zusammenhang beschaffen sein?"
„Ich weiß es nicht."
„Ich werde bestimmt noch verrückt!" prophezeite Ferrick, der abermals das Glas zum Munde führte.
Claremont sagte: „Im Grunde genommen Ist meine Mission jetzt erledigt. Alles weitere ist Aufgabe der Mordkommission. Kommissar Croft hat mir jedoch freundlicherweise gestattet, mich noch weiterhin mit dem Fall zu befassen... obwohl das, wie ich hinzufügen möchte, eine recht prekäre Angelegenheit ist, denn die Kollegen vom Morddezernat werden es nicht gern sehen, wenn ich ihnen in der Arbeit herumpfusche."
„Sie sind doch Fachmann!“ erklärte Porezzi. „Da kann von Pfuscherei wahrhaftig nicht die Rede sein!"
Claremont lächelte. „Ach, wissen Sie... so etwas ist Ansichtssache. In jeder Dienststelle gibt es Kompetenzschwierigkeiten und Eifersüchteleien... es wäre jedenfalls nicht gut, wenn ich einen Fehler begehen würde.“
„Ich vertraue Ihnen, Inspektor!" sagte der Pianist. „Sie werden Licht in diese mysteriöse Angelegenheit bringen!"
„Vielen Dank für Ihre gute Meinung."
„Es steht also fest, daß Sie sich auch weiterhin um die Lösung des Falles kümmern werden?"
„Ja, nur sind es leider inzwischen zwei Fälle geworden..."
Der Inspektor machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Sie werden verstehen, daß ich meine Zeit sehr klug einteilen muß. Ich habe noch andere Aufgaben, die ich natürlich nicht vernachlässigen darf."
„Für welches Dezernat arbeiten Sie eigentlich, Inspektor?" fragte Porezzi.
„Rauschgift."
Ferrick pfiff durch die Zähne. „Das ist sicher sehr interessant, nicht wahr?"
„Eher abstoßend und deprimierend", meinte Claremont. „Aber irgend jemand muß ja die Arbeit erledigen." Er legte die Hände auf den Rücken und blickte in den Garten. Dann wandte er sich an Porezzi und sagte: „Mir wird nichts anderes übrigbleiben, als jetzt zu tun, was ich schon längst vorhatte: ich werde nicht nur Deilas Wirtin, sondern auch Norma Brixon, die Freundin, und die übrigen Gäste Ihrer Montagsabendparty befragen
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