Der Herodes-Killer
die Seite, und Rosen streichelte ihre Schultern. Kurz darauf veränderte sich ihr Atem, und sie war eingeschlafen.
Er warf sein Hemd, seine Strümpfe und die Unterwäsche in den Wäschekorb in der Ecke des Badezimmers. Er stellte die Dusche an, streckte seinen Kopf unter den kraftvollen, heißen Wasserstrahl und knurrte: «Himmel!» Das Wasser prasselte gegen sein Gesicht, und in diesen wenigen Augenblicken war er im Einklang mit dem ohnmächtigen Zorn, der ihn seit Jahren verfolgte, aber diesmal hatte er zum ersten Mal ein menschliches Gesicht.
Das Gesicht von Sebastian Flint, wie er es in dem winzigen Spiegel von Zimmer elf im Kloster St Mark’s erblickt hatte.
Er ließ das Wasser voll aufgedreht, und es prasselte auf seinen Kopf, bis sein Atem und sein Herzschlag sich wieder normalisiert hatten. Er trocknete sich ab und hielt inne, als er sein Bild im Spiegel sah. Er erkannte seinen misstrauischen Blick.
In einem sauberen Schlafanzug legte er sich neben Sarah und suchte ihre Hand unter dem Federbett. Er umschloss sie mit den Fingern, und sie drehte leicht den Kopf auf dem Kopfkissen.
Sie schlief tief und fest, jetzt ganz friedlich. Rosen war für diese Gnade dankbar.
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52
Konferenzraum eins war der größte separate Raum des Polizeireviers, hier fand Rosens Pressekonferenz statt. Das lange, rechteckige Zimmer war gerammelt voll mit Journalisten und Fotografen, die auf Reihen von blauen Plastikstühlen saßen. Eine aufgeregte Erwartung lag in der Luft, Stimmen schwirrten durch den Raum, und die Bezeichnung Herodes-Killer kreiste herum wie Strom durch eine Leitung.
Vorne in dem grell erleuchteten, fensterlosen Raum war ein Podium aufgebaut worden, darauf stand ein Tisch mit Stühlen und Mikrophonen. Dahinter hing eine Pinnwand im Blau der Metropolitan Police mit dem Wappen – zwei Löwen, ein Schild und eine Krone – und den Worten: Gemeinsam für ein sichereres London.
Rosen stand im Hintergrund, atmete tief durch, um seine Nerven zu beruhigen, und verfolgte den Lärm, den die wartenden Journalisten machten. Ausnahmsweise beunruhigte ihn bei dieser Pressekonferenz nicht die Aussicht auf einen demütigenden Auftritt in der Öffentlichkeit, sondern der Termin mit Sarah im Krankenhaus, der darauf folgen würde.
Er hatte Mr. Gilling-Smiths Sekretärin seit 8.15 Uhr schon drei Mal angerufen, aber jedes Mal war nur der Anrufbeantworter angesprungen. Beim dritten Anruf hatte er seine Handynummer aufgesprochen, zusammen mit der dringenden Bitte, ihn zurückzurufen.
Es gab keinen leeren Platz. Auf jedem Stuhl saß ein Journalist, und in jeder Journalistenhand befand sich eine Presseverlautbarung, ein Blatt mit den beiden Aufnahmen von Dwyer: das eine Bild aus dem Überwachungsvideo sowie Corrigans Foto, beide aus der British Library.
Links des Podiums war ein 42-Zoll-Plasmabildschirm aufgebaut, auf dem ein kurzer Ausschnitt der Aufnahme der Überwachungskamera abgespielt werden sollte. Damit nach der Pressekonferenz nicht alle in einem wilden Gedränge davonstürmten, um die Bilder schnellstmöglich zu veröffentlichen, würde jeder am Ausgang für sein Medienunternehmen eine Erklärung unterschreiben müssen, bevor er sein eigenes elektronisches Videomaterial bekam. Darin stand ein rechtlich und moralisch bindender Passus: Vor 18.00 Uhr durfte kein Bildmaterial veröffentlicht werden.
Baxter, in voller Uniform, kam als Erster in den Raum. Der Lärmpegel steigerte sich noch einmal. Rosen folgte ihm und setzte sich an die Mitte des Tisches, Bellwood zu seiner Rechten. Neben Rosen setzte sich Rob Waters, der Pressesprecher.
«Guten Morgen», sagte Waters. Stille senkte sich über den Raum.
Rosens Handy vibrierte stumm in seiner Jacketttasche, und er wusste instinktiv, dass jetzt Mr. Gilling-Smiths Sekretärin seinen Anruf erwiderte. Er konzentrierte sich auf die Medienleute vor ihm. Das Handy vibrierte sehr lang in seiner Tasche.
«Warum dürfen wir die Bilder erst um 18.00 Uhr veröffentlichen?»
«Fragen zum Schluss», gab Baxter zurück.
«Die hier werde ich beantworten, Chief Superintendent Baxter.» Rosen ließ die Augen durch den Raum wandern. «Und, wie Chief Superintendent Baxter gesagt hat, Fragen zum Schluss.» Er schaute den Mann an, der die Gelegenheit zu einer Frage genutzt hatte; er kannte und mochte den Journalisten, der sein Glück versucht hatte. «Wir bitten Sie um einen Gefallen, um Ihre Hilfe bei einer Strategie. Es ist wichtig, dass Sie die Leute auf die
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