Der Herr Der Drachen: Roman
zu.
Erleichtert setzte sich Tuon auf den Fußboden, etwas entfernt von den anderen. Cyri sprach leise mit Veila, während der Verführer reglos dastand und in den Garten hinausschaute. Tuon vermied es, ihn anzusehen, und spielte nervös an der Troddel ihres Kissens herum. Cyri und die Seherin tuschelten noch einen kurzen Moment lang, ehe Veila zu einem langen Sofa ging und sich darauflegte. Cyri ließ sich neben ihr nieder.
»Tuon«, rief er. »Komm, setz dich zu mir.«
Nervös tat sie, wozu sie aufgefordert worden war, und sank auf den Boden in der Nähe der Sofakante. Der scharfe, würzige Geruch war nun stärker, und sie bemerkte, dass Veila inzwischen die Lider geschlossen hatte. Tuons Haut kribbelte. Sie sah zum Konsul, doch der hatte nur Augen für Veila, sein Körper war angespannt, und er hatte sich leicht vorgebeugt. Schweigen dehnte sich aus, und Tuon wagte nicht, sich zu rühren.
In dem Zimmer war es vollkommen still, aber von draußen konnte Tuon das schwache Grollen des Gewitters und einige Drachenrufe hören. Sie sah, wie die Wolken von einem Blitz zerteilt wurden, der das reglose Gesicht des Verführers erhellte. Das trübe Tageslicht verblasste zur Dämmerung des späten Nachmittags. Tuons Magen war leer, und ihre Blase drückte, aber sie wusste nicht, ob sie etwas sagen durfte oder nicht. Veilas Augen zuckten unter den geschlossenen Lidern, aber ihr Körper blieb ohne jede Regung.
Plötzlich sprach Cyri: »Das dauert zu lange.«
Tuon sah die Sorge in seinen Augen, wusste aber nicht, was sie antworten sollte. Sie wusste nichts über Questen. »Kannst du sie denn nicht aufwecken?«, schlug sie vor.
Er stieß den Atem aus und schüttelte den Kopf. »Das ist etwas anderes. Sie schläft nicht.« Er zog die Augenbrauen zusammen, streckte die Hand aus und griff eine von Veilas Händen. »Sie ist an einem Ort zwischen Wachen und Schlafen.«
»Kannst du ihr denn nicht helfen? Hast du nicht schon einmal …« Sie brach ab, als Veila plötzlich keuchte und krampfhaft Cyris Finger umklammerte. Sie bäumte sich auf dem Sofa auf, und warf den Kopf von einer Seite auf die andere.
»Nevin!«, rief Cyri. Der Verführer kam zu ihnen gerannt und packte Veila an den Schultern. »Veila!« Cyri rief immer wieder ihren Namen, aber die Augen der Seherin blieben geschlossen.
Tuon sah voller Entsetzen zu. Sie kroch rückwärts, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß, und sie konnte den Rahmen des Wandbehangs unangenehm an ihrem Rückgrat spüren.
Schließlich erschlaffte der Körper der Seherin, und beide Männer hoben vorsichtig die Hände. Einen Moment lang geschah nichts, und dann, endlich, erklang ein leises Flüstern.
»Mir geht es gut.« Veilas Stimme war kaum zu hören. Sie lag einen Moment dort und atmete nur heftig, dann rief sie: »Tuon, komm her.« Sie streckte ihr einen Arm entgegen.
Zitternd trat Tuon zu ihr, und Veila legte ihr eine kalte, weiße Hand auf die Wange. Ihre hellen, grauen Augen sahen sie sorgenvoll an. »Es tut mir so leid. Ich konnte sie nicht finden. Er ist zu stark für mich.«
Tuon starrte sie an und versuchte zu begreifen, und dann begann sie zu weinen. Veila meinte Shaan. Sie hatte sich ins Zwielicht begeben, um Shaan zu suchen, hatte sie aber nicht gefunden. Shaan war verloren. Die Tränen, die Tuon so lange zurückgehalten hatten, flossen nun in Strömen. Sie brach schluchzend auf dem Boden zusammen. Veila streichelte ihr über den Kopf und
murmelte beruhigende Worte, während die zwei Männer leise das Zimmer verließen.
Tuon schlief auf Veilas langem Sofa. Sie hatte nichts zum Abendbrot gegessen, und die Seherin hatte ihr nichts aufgezwungen. Doch sie hatte ihr einen Becher mit einer heißen, wohlschmeckenden Flüssigkeit gebracht, die ihren Magen ein wenig füllte. Gegen die Leere, die sich in ihr breitgemacht hatte, konnte sie jedoch auch nichts ausrichten.
Als Tuon endlich eingeschlafen war, breitete die Seherin eine weiche Decke über sie aus und ließ sie allein, und sie fiel in einen traumlosen Abgrund.
Veila weckte sie vor Tagesanbruch, half ihr beim Baden, gab ihr saubere Kleidung und brachte ihr eine Scheibe warmes Brot mit Honig. Zwei Jäger kamen und begleiteten sie aus dem Haus zu einem Wagen, über den sich ein gewölbtes Verdeck aus geöltem Tuch spannte. Die Männer verstauten das Gepäck der Frauen, die schweigend auf den harten Bänken Platz nahmen. Dann wurden sie durch die ruhigen, dunklen Straßen zum Hafen gefahren.
Als sie dort ankamen,
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