Der Herr Der Drachen: Roman
den Kommandanten gewandt. Tuon nickte, und dann zog der ältere Mann sie mit sich zu einer geöffneten Tür an der Hinterseite
des Raumes. Einen Moment lang wehrte sich Tuon und wandte den Blick zurück zum Kommandanten. Die Verärgerung war ihr deutlich am Gesicht abzulesen. Doch dann verschwand sie durch die Tür.
Shaan stand unentschlossen im Durchgang herum und erinnerte sich daran, wie Tuon sie auf dem Markt gewarnt hatte: Lass dich mit Männern wie diesen auf nichts ein. Und nun befand Tuon sich selbst hier mitten unter ihnen und sprach mit ebenjenem Mann, vor dem die Freundin sie gewarnt hatte. Einen Moment lang erwog sie, ihr nicht weiter zu folgen. Es war offensichtlich, dass Tuon aus freien Stücken hier war. Niemand hatte sie gezwungen, hierherzukommen, und niemand bedrohte sie. Warum also sollte Shaan sich Sorgen machen? Aber sie bewegte sich nicht. Da war etwas in Tuons Gesicht gewesen, das sie beunruhigte.
Sie stand knapp hinter dem Türrahmen und beobachtete den Kommandanten, der mit dem Jäger sprach. Jemand rief etwas quer durch den Raum, und der Jäger hob den Blick und ging zur anderen Seite hinüber. Jetzt oder nie. Shaan nutzte den Moment der Ablenkung, schlüpfte in den Raum und lief rasch auf die gegenüberliegende Hintertür zu.
Noch immer befand sich eine größere Anzahl von Leuten im Zimmer, und ein leises Stimmengewirr umfing Shaan. Schwarz gekleidete Männer standen schweigend entlang den Wänden, und Shaan versuchte, sich so zu geben, als habe sie ein Ziel vor Augen, während sie gleichzeitig hoffte, dass sie keine Verführer waren. Wenn einer von ihnen auf die Idee käme, sie ins Visier zu nehmen, oder misstrauisch würde, dann wäre alles vorbei.
Mit gesenktem Blick gelangte sie bis zur Tür, ohne angesprochen zu werden. Erst als sie schon hindurchgeschlüpft war, begriff sie, was der Grund dafür war. Durch den Gang kam mit breitem Lächeln und ausgestreckter Hand eine der Schwestern der Aurora auf sie zu.
»Ah, meine Liebe!« Sie griff nach Shaans Hand und umklammerte sie. »Du musst der Neuzugang sein.«
Sie war sehr klein, mit langem, dunklem Haar. Um ihre braunen Augen kräuselten sich Fältchen, als sie Shaan anlächelte. Diese starrte sie nur an und versuchte verzweifelt, sich eine angemessene Reaktion einfallen zu lassen.
Die Frau lachte. »In der Tat, du siehst verwirrt aus. Einer der Männer berichtete mir, du würdest aussehen, als hättest du dich verlaufen. Was bei all diesem Trubel hier auch wenig verwunderlich ist.« Mit der Hand machte sie eine vage Geste in Richtung des Versammlungsraumes. »Komm mit, dann trinken wir etwas Wein, und du kannst mir von dir erzählen, ehe wir die Vorsteherin treffen.«
Sie hakte sich bei Shaan ein und setzte sich in Bewegung, wieder den Gang hinunter. Shaan blieb keine andere Wahl, als mit ihr zu gehen.
»Ich bin Schwester Lyria. Ich bin die Priorin hier. Ich begrüße alle Neuen.« Sie bedachte sie mit einem Lächeln. »Ich kümmere mich während deiner Initiation um dich. Wie alt bist du?«
»Hm, äh, achtzehn«, antwortete Shaan abgelenkt. Sie sah sich um und versuchte zu erraten, wohin Tuon verschwunden war. Es gab einige Türen, aber alle waren verschlossen. Davor führte der Gang nur noch ein Stück weiter, ehe er auf eine Mauer stieß und abzweigte. War Tuon durch eine dieser Türen gegangen, oder war sie dem Gang gefolgt?
»Du bist etwas älter als die meisten Mädchen, die hier anfangen«, sagte Schwester Lyria. »Warum hast du gewartet?«
»Hm, tja«, stotterte Shaan und sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. »Schätze, ich habe einfach etwas länger gebraucht, um mich zu entscheiden«, sagte sie unbestimmt. Die Antwort schien Schwester Lyria zufriedenzustellen. Sie nickte, blieb vor der nächsten verschlossenen Tür stehen und legte ihre Hand auf den Knauf.
»Warte hier im Raum einen Augenblick, ich hole uns eine Erfrischung.« Damit schob sie die Tür auf und gab Shaan mit einem Mal einen überraschend kräftigen Stoß, sodass sie in den Raum stolperte. Als sie sich umdrehte und nach der Tür griff, rutschten
ihre Finger am Holz ab, denn mit angewidertem Gesichtsausdruck entwand Schwester Lyria ihr die Tür und warf sie zu. Shaan hörte das unverkennbare Geräusch eines Schlüssels, der im Schloss gedreht wird.
»Jetzt kannst du noch ein bisschen länger hier warten.« Die Stimme der Schwester klang gedämpft durch das Holz. »Und fass ja nichts an.«
Shaan fluchte und fragte sich, wie sie so dumm hatte
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