Der Herr Der Drachen: Roman
geöffnet, und der Kommandant trat ein.
»Rorc«, sagte Morfessa. Tuon kam in Sicht; sie stand mit dem Rücken zum Fenster.
Genau in diesem Augenblick spürte Shaan irgendetwas hinter sich. Ihr Magen zog sich zusammen, als sie eine Hand auf ihrem Arm fühlte und eine Stimme ganz nah an ihrem Ohr hörte: »Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich finde«, sagte der junge Jäger und zog sie auf die Beine.
7
S haan wand sich im Griff des Jägers, während er sie ungerührt den Gang hinunter und an Schwester Lyria vorbeizerrte, die sie mit spöttischem Blick bedachte und ihr schnaubend hinterherrief, dass der Glaubenstreue ja wohl wüsste, wie man mit Unruhestiftern umzugehen habe.
So viel also zum Ruf der Schwestern als verständnisvolle Heilerinnen, dachte Shaan bitter und verfluchte sich dafür, dass sie so dumm gewesen war. Warum war sie nicht weggelaufen, als sie die Gelegenheit dazu gehabt hatte?
»Hier hinein.« Der Jäger zog sie zu einer Tür, hämmerte gegen das Holz und rief: »Kommandant Rorc!«
Einen Augenblick später antwortete eine Stimme und forderte sie auf einzutreten, und der Jäger schob sie unsanft ins Zimmer. »Kommandant, ich habe dieses Mädchen aufgegriffen, während es im Tempel herumschnüffelte.« Er gab ihr einen Stoß.
»Ich habe nicht herumgeschnüffelt, ich habe mich verlaufen«, bemerkte Shaan, dann schluckte sie, als sie sah, wo sie sich befand. Vor sich erkannte sie den dunkelhaarigen Mann, den sie noch einen Moment zuvor durch das Fenster zum Hof beobachtet hatte. Von nahem sah er furchteinflößender aus als aus der Ferne.
Er musterte sie von oben bis unten. »Wie heißt du?«
Hinter ihm standen Tuon, die sie mit entsetzt aufgerissenen, verängstigten Augen anstarrte, und ein älterer Mann, bei dem es sich um Morfessa handeln musste. Er hatte die Stirn in Falten gelegt.
»Nun?« Der Dunkelhaarige hob eine Augenbraue.
Shaan presste die Lippen zusammen. Wenn sie ihm ihren wirklichen Namen nannte, würde es nicht lange dauern, bis er herausfand,
wo sie lebte und welche Verbindung sie zu Tuon hatte. Er könnte sogar auf die Idee kommen, dass Tuon von ihrer Anwesenheit gewusst hatte. Trotz der Geheimnisse, die diese vor ihr zu hüten schien, wollte Shaan auf keinen Fall, dass sie Schwierigkeiten mit den Glaubenstreuen bekäme.
»Ich heiße Raikah.« Wieder nannte sie den Namen einer Frau, die früher in der Drachenanlage gearbeitet hatte.
Der Kommandant bewegte sich nicht. »Raikah? Und was hast du hier verloren? Sei aber gewarnt: Es dürfte dir schlecht bekommen, wenn du uns nicht die Wahrheit erzählst. Ich muss nur einen Verführer holen lassen. Der wird schnell herausfinden, was ich wissen muss, und es könnte schmerzhaft sein, wenn du nicht kooperierst.«
Shaans Mund wurde trocken. Sie hatte noch nie gesehen, wie ein Verführer die Seele eines anderen Menschen entblößte, aber sie hatte davon gehört. »Ich war nur neugierig«, sagte sie.
»Ich glaube dir nicht.« Über ihren Kopf hinweg warf er dem Jäger einen Blick zu.
»Holt mir einen Verführer.«
»Nein, warte!« Tuon machte einen Satz und legte ihm eine Hand auf den Unterarm. »Ich kenne sie; es ist nicht nötig, einen Verführer hinzuzuziehen. Bitte, Rorc.«
Der Kommandant warf ihr einen langen Blick aus seinen grünen Augen zu. »Du kennst sie?«
»Ja, und es ist mein Fehler, dass sie hier ist.«
»Nein!«, rief Shaan aus, aber Rorc schenkte ihr keinerlei Beachtung.
»Was sagst du da?«, fragte er ungläubig.
»Sie muss mir gefolgt sein, als ich heute Abend das Gasthaus verlassen habe. Ich glaubte noch, gehört zu haben, wie sie mir etwas hinterherrief, aber ich habe mich nicht mehr umgedreht.« Sie hob das Kinn. »Aber du musst dir keine Sorgen machen, sie ist keine Bedrohung für dich.«
Rorc wandte sich wieder Shaan zu. »Wie lautet dein richtiger Name?«
Shaan zögerte.
»Es ist schon in Ordnung.« Tuon nickte ihr zu. »Ihr Name ist Shaan. Sie arbeitet in der Drachenanlage, das ist alles. Bitte lass sie gehen. Ich kann dir alles berichten, was du über sie wissen musst.«
»Ich würde es vorziehen, es von ihr selbst zu hören«, erwiderte Rorc.
»Nun gut.« Tuon verschränkte die Arme. »Aber ich sage dir, sie stellt keine Bedrohung für die Glaubenstreuen dar.«
Rorc sah sie nicht an. »Bringt sie zum hintersten Zimmer der Vorsteherin«, trug er dem Jäger auf. »Ich werde bald nachkommen.«
Tuon starrte Rorc an, als sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte.
»Ich habe dir
Weitere Kostenlose Bücher