Der Herr Der Drachen: Roman
Felsgestein schaben.
Am nächsten Tag erledigte sie nur mit Mühe ihre Arbeiten. Morgens ging sie in einer Bucht an einem seichten Ufer voller Seegras angeln, aber sie fing nichts außer einigen winzigen Sandkabblern. Torg war alles andere als erfreut und schickte sie zu den Marktständen am Hafen, um zusätzlich Fische zu kaufen. Der durchdringende Gestank von verrottendem Tang bei Ebbe, vermischt mit den Ausdünstungen der dichtgedrängten Massen, verursachte
einen pochenden Kopfschmerz bei Shaan, und sie sehnte sich danach, sich hinzulegen und zu schlafen. Aber sie hatte keine Zeit, sich auszuruhen, denn sie war für den Mittagsdienst in der Drachenanlage eingeteilt.
Dort kratzte sie die fauligen Reste aus den Böden der Futterkörbe für die Drachen und füllte die Getreidevorräte auf - eine Tätigkeit, die ihr auf den Rücken schlug. Als die Sonne unterging, tat ihr der ganze Körper weh, und sie fühlte sich benommen. Ihr einziger Trost war, dass man sie nicht wieder in die Drachenkuppel geschickt hatte. Kein einziger Arbeiter war dafür eingeteilt worden, und ihr war klar, dass sie sich deswegen wundern sollte, doch sie war viel zu müde, um darüber nachzudenken.
Sie wusch sich im Red Pepino; anschließend sehnte sie sich danach, ihre Sinne noch weiter zu betäuben, und ohne wenigstens noch einen Bissen zu sich genommen zu haben, suchte sie alle Münzen zusammen, die sie entbehren konnte, und machte sich auf den Weg zu dem Gasthaus Zum Drachen im Händler-Viertel. Im Drachen erwartete sie ein schwach beleuchteter, riesiger Schankraum, was gut zu ihrer Stimmung passte, und die Schenke lag weit entfernt vom Fischgestank des Hafens. Hier verkehrten mehr Drachenreiter als betrunkene Seeleute, und es gab keine Stammgäste, die sie bedrängten, ihr ein Glas Wein auszugeben.
Sie setzte sich an einen Tisch an der Wand, drehte missmutig ihr dickes, grünes Glas mit schwerem Rotwein hin und her und lauschte dem Geschwätz der Leute rings um sie herum. Es war viel los an diesem Abend. Der Raum zog sich wie ein L um die Bar herum. An der längeren Seite, dort, wo sie saß, drängten sich noch dreißig oder vierzig andere Gäste, zumeist Leute von der Dracheninsel und gewöhnliche Reiter, die sich auf die Theke stützten oder an den Tischen saßen und tranken. Weiter hinten befanden sich die etwas zurückgezogeneren Bänke und Nischen, die von Septenführern und Schiffmeisterinnen der Dracheninseln besetzt waren. Es schien, dass jeder dazu aufgelegt war, heute Nacht die wirkliche Welt auszublenden.
Shaan starrte gedankenverloren über den Rand ihres Glases
hinweg, als sie die unverkennbare Gestalt von Septenführer Balkis zur Bar schlendern sah, und ihr wurde ganz flau im Magen. Dass sie ihn hier treffen könnte, hätte sie sich nicht träumen lassen. Sie drückte sich in die hinterste Ecke der Bank in den Schatten der Mauer und nahm einen tiefen Schluck Wein, dann noch einen, während sie auf Balkis’ Rücken starrte. Der Alkohol rann ihr warm die Kehle hinab und half ihr, ihre Furcht zu besänftigen, aber er brachte sie nicht dazu, die Augen abzuwenden. Shaan beobachtete Balkis, wie er sich auf den Schanktisch stützte und ein Gespräch mit einer Frau begann, die ein weitausgeschnittenes, figurbetontes Kleid trug, das mehr von ihrem Dekolleté enthüllte, als dass es etwas verbarg.
Shaan fragte sich, warum sie sich eigentlich solche Sorgen machte. Vielleicht hatte Balkis ihren Zusammenstoß schon längst wieder vergessen. Noch einmal führte sie ihr Glas an die Lippen. Immerhin hatte sie das gleiche Recht, hier zu sein, wie er. Die Frau, mit der er sprach, warf lachend den Kopf zurück und schob Balkis dabei ihre Brüste entgegen. Shaan trank erneut einen großen Schluck Wein, wischte sich über den Mund, als ihr ein Tropfen übers Kinn rann, und sank entspannter auf der Bank zusammen. Sie nahm sich vor, einfach alles, was geschehen war, zu vergessen; denn deshalb war sie doch gekommen. Sie zwang sich, woanders hinzuschauen.
Eine Gruppe ausgelassener, junger Männer am anderen Ende der Bar, ihrer Kleidung nach zu urteilen Bauern, sahen die Serviererinnen anzüglich an, wenn sie ihnen ihre Biere brachten. Shaan schaute eine Weile zu und fragte sich, warum die Frauen sich das gefallen ließen, aber ihr Blick wanderte immer wieder zurück zu Balkis. Er war ein gut aussehender Mann, groß und breitschultrig, und er hatte blondes Haar, das sich in seinem sonnengebräunten Nacken leicht kräuselte, einen
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