Der Herr Der Drachen: Roman
gleichzeitig nicht umzufallen.
»Sie hat uns davon abgehalten, ihn zu fangen!«, posaunte eine zornige Stimme hinter ihm. »Blöde Schlampe, antworte ihm!«
Shaan wischte sich Blut vom Kinn.
»Ich kenne sie.« Balkis trat vor. »Sie ist eine Arbeiterin in der Anlage.« Damit wandte er ihr einen angewiderten Blick zu. »Ich weiß ihren Namen nicht, aber sie ist offensichtlich betrunken. Und sie hat bereits unter Beweis gestellt, dass sie auch in nüchternem Zustand dumm und unbeholfen ist. Schert Euch nicht um sie, sie ist die Aufregung nicht wert.«
Shaan spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. Wortlos starrte der Jäger sie an, und seine Augen wurden schmal. Shaan schaute zu Boden. Sie fühlte deutlich, dass er ihre angebliche Trunkenheit anzweifelte, jedoch wenig Lust hatte, einem jugendlichen Dieb hinterherzurennen. Er ließ sie los. »Dann überlasse ich Euch die Angelegenheit, Septenführer.« Er sah zu Balkis. »Werdet Ihr sie der Stadtwache übergeben?«
»Natürlich«, antwortete Balkis.
»Danke, Septenführer.« Er nickte ihm zu, dann drehte er sich um, und als er zur Tür ging, um den Schankraum zu verlassen, bildete die Menschenmenge eilig eine Gasse für ihn.
»Aber …« Der Mann, der seine Geldbörse eingebüßt hatte, sah sich beschwörend zu den Leuten um, die sich bereits wieder verstreuten. Sein Blick fiel auf Shaan, und er zog die Brauen zusammen. »Du!«, dröhnte er und hob drohend eine Hand, doch plötzlich schob sich Balkis dazwischen.
»Kommt, Mann«, sagte er mit sanfter Stimme, »kümmert Euch nicht um diese Frau. Ich gebe Euch ein Glas mit gutem Wein aus Cermez aus. Ein Läufer wird zur Stadtwache geschickt, und sobald die hier ist, wird sich alles klären. Es wird leicht sein, den Bengel aufzuspüren. Kommt, trinkt mit mir, während Ihr wartet.« Er deutete mit ausgestrecktem Arm auf einen weiter hinten stehenden Tisch.
»Nun, ich schätze …« Der Mann warf Shaan noch einen letzten finsteren Blick zu und knurrte, folgte Balkis dann aber in die schwach erleuchtete Ecke des Raumes.
Hinter ihr machte sich eine Serviererin daran, die Tische und Stühle wieder zurechtzurücken. Shaan sah Balkis hinterher und fragte sich, warum er dazwischengegangen war, dann aber so getan hatte, als wüsste er ihren Namen nicht. Der bestohlene Mann konnte ein Mitglied des Rates sein. Hatte Balkis versucht, sie zu beschützen, oder war es aus Eigennutz geschehen? Sie schüttelte ihren schmerzenden Kopf. Vermutlich Letzteres, entschied sie.
Der Septenführer warf ihr einen flüchtigen Blick zu, als er sich hinsetzte, doch sie konnte ihn nicht deuten. So ging sie zu ihrer eigenen Bank zurück, vorbei an der gleichen Bedienung wie zuvor. »Kann ich noch Wein bekommen?«, fragte sie.
Die Frau warf ihr einen scheelen Blick zu und richtete unsanft den letzten Stuhl auf, ehe sie sich umdrehte und zur Bar ging.
Shaan ließ sich auf ihre Bank sinken, dankbar, dass der Besitzer des Wirtshauses sie nicht hinausgeworfen hatte. Die anderen Gäste hatten sich wieder ihren Getränken zugewandt, aber es lag noch immer eine gewisse Spannung in der Luft, und die Stimmen waren leiser als zuvor. Niemandem war wohl, wenn ein Glaubenstreuer in Erscheinung trat. Shaan fragte sich, ob dieser Vorfall Rorc gemeldet werden würde. Bei ihrem Glück in letzter Zeit dürfte das vermutlich der Fall sein, und er hätte dann allen Grund, mit ihr zu tun, was ihm beliebte. Aber für den Augenblick konnte sie daran auch nichts ändern.
Sie befühlte vorsichtig eine Beule, die sich an ihrem Hinterkopf bildete, und fragte sich, ob es eigentlich noch schlimmer kommen konnte. Die Bedienung knallte ein weiteres Glas vor ihr auf den Tisch und streckte die Hand aus. Seufzend zog Shaan einige Münzen heraus; die Frau schnappte sie sich und stolzierte davon.
»Nicht besonders freundlich«, sagte eine Stimme.
Als Shaan sich umdrehte, entdeckte sie ein junges Mädchen mit blonden Haaren, das sie beobachtet hatte, in ihren schlanken Fingern ein Glas haltend. Ihr blaues Kleid war am Mieder tief ausgeschnitten und hatte an einer Seite einen Schlitz bis zum Oberschenkel. Wenn Shaan sich nicht irrte, war der Stoff von besserer Qualität, als es sich die meisten leisten konnten.
»Nein. Schätze, sie mag mich nicht.« Shaan sah das Mädchen über ihr Glas hinweg an.
Als sie lächelte, entblößte sie eine Reihe makelloser Zähne. »Glaube kaum, dass sie überhaupt irgendjemanden leiden kann.« Damit kam die junge Frau herüber,
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