Der Herr Der Drachen: Roman
sagte er und suchte Zustimmung bei Jared. Nach kurzem Zögern nickte dieser schließlich, und Tallis wandte sich wieder an die beiden Männer. »Können wir darauf vertrauen, dass ihr uns nicht die Kehlen aufschlitzt, während wir schlafen?«
Attar lachte dröhnend. »Wir sind doch keine Scanorianer, Junge«,
sagte er. Tallis verstand die Anspielung nicht, glaubte jedoch, dass der Mann die Wahrheit sagte. Außerdem: Wenn er ihren Tod gewollt hätte, dann hätte er sie bereits umgebracht.
Sie legten sich mit den Rücken zum Feuer und benutzten ihre Haldare, um sich gegen die kalte Wüstenluft zu schützen.
»Vielleicht geben uns die Führer am Morgen ein Zeichen«, flüsterte Jared, als sie sich ausstreckten.
»Ich weiß nicht.« Tallis schüttelte den Kopf. Es war zu anstrengend für ihn zu grübeln, denn der Schmerz in seinem Schädel wurde immer schlimmer, und er wollte ihm um jeden Preis entfliehen. So machte er die Augen zu und versuchte, seine Ängste auszublenden. Kurz bevor die Dunkelheit ihn umfing, hörte er den schwachen Schrei eines Drachen über dem Sand widerhallen.
18
N och vor dem Morgengrauen schlug Tallis die Augen auf und stellte fest, dass Jared bereits wach war. Er saß aufrecht da und starrte hinaus in die Wüste. Die Luft war kühl und reglos, und die Schwärze des Himmels begann schon zu verblassen, denn in weiter Ferne am östlichen Horizont ließen die ersten Lichtstrahlen die Gipfel der Berge erglühen. Die zwei Reiter schliefen auf der anderen Seite des heruntergebrannten Feuers; Attar schnarchte gleichmäßig. Von den Drachen fehlte jede Spur.
Tallis rappelte sich auf, und Jared drehte sich um, und seine Augen waren noch immer nachdenklich.
»Hast du überhaupt geschlafen?«, fragte Tallis flüsternd, und Jared zuckte mit den Schultern.
»Ein bisschen.«
Dann sah er weg. Der Schmerz in Tallis’ Kopf war abgeklungen, doch trotz der vielen Stunden Schlaf fühlte er sich, als habe er kaum die Augen zugemacht. Auch er blickte über den dunklen Sand und blieb eine Weile stumm sitzen, bis Jared leise sagte: »Wir müssen eine Entscheidung treffen.«
Tallis nickte. »Ich weiß.«
»Ich habe darüber nachgedacht«, fuhr Jared im Flüsterton fort. »Was du getan hast … also dass du die Drachen vertrieben hast … Was, wenn der Feuchtländer recht hat? Was, wenn du lernen könntest, noch mehr zu tun?«
Tallis starrte ihn an. Was sagte Jared denn da? Was er getan hatte, war falsch und krankhaft.
»Was ich getan habe, war nicht richtig«, krächzte er heiser. »Und hat dir Shila nicht gesagt, die Führer hätten verkündet, unsere Zukunft läge im Osten, hinter den Schwarzen Bergen?«
Jared ließ den Kopf sinken und Sand zwischen seinen Fingern hindurchrieseln. »Ja. Aber wenn man Träume der Führer empfängt, sind sie nicht immer so eindeutig, wie es den Anschein hat. Und da wir …« Er hielt einen kurzen Moment inne, seine Faust ballte sich im Sand, sein Arm zitterte vor Anspannung, dann stieß er die Luft aus und hob die Hand. »Sie haben nicht gesagt, dass Blut fließen würde, und sie haben auch nicht …« Er schüttelte den Kopf, wie um seine Gedanken zu ordnen. »Als Shila zu mir kam, berichtete sie mir, dass die Führer eine Gefahr für dich geweissagt hätten, ein neues Land, und ich müsste dafür sorgen, dass du überlebst, um es zu sehen zu bekommen. Und sie sagte, für uns beide würde ein neues Leben beginnen, sobald wir die Schwarzen Berge überwunden hätten.« Er sah ihn an. »Diese Männer könnten ein Teil des Traumes sein, den die Führer ihr geschickt haben. Vielleicht liegt unsere ferne Zukunft jenseits dieser Berge, doch jetzt ist es noch nicht an der Zeit. Das neue Land könnte auch die Stadt jener Männer und ein Ort sein, den wir aufsuchen müssen, ehe wir die Berge überqueren. Die Wüste der Clans ist riesig; sie umfasst Hunderte von Meilen. Wie kommt es, dass diese Männer uns hier gefunden haben?«
Tallis wickelte sich einen rauen Streifen seines Haldars um die Schultern, denn plötzlich fror er. Hatte Jared recht? Lenkten die Führer noch immer ihre Wege? Er forschte in seinem Innern nach der Gewissheit, dass die Führer nicht aufgehört hatten, über sie zu wachen, dass sie sich um zwei Clansmänner kümmerten, die Blut an den Händen hatten, aber er spürte nur eine eisige Kälte, die ihm durch Mark und Bein ging. »Ich weiß nicht, Erdbruder«, sagte er. »Ich habe das Gefühl, dass ich überhaupt nichts mehr verstehe.«
Einige Zeit war Jared
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