Der Herr Der Drachen: Roman
ein Haufen Hasen, wenn sie uns kommen sehen.«
»Sollten wir heute Nacht nicht Wache halten?« Bren sah von dem Topf auf, in dem er rührte. »Sie könnten sich auch hier herumtreiben.«
»Das ist sogar wahrscheinlich«, bestätigte Attar. »Aber ich glaube nicht, dass sie sich näher herantrauen werden. Sie haben unsere Drachen gesehen. Wahrscheinlich beobachten sie uns nur und lassen uns ansonsten in Ruhe.«
»Essen ist fertig«, sagte Bren und verteilte das Fleisch auf drei Schüsseln.
Tallis aß schweigend seinen Anteil. Sein Nacken kribbelte, und er fragte sich, ob da kleine Augen waren, die ihnen aus der Dunkelheit heraus zusahen. Er fühlte sich weiter von zu Hause entfernt, als er es sich je hatte vorstellen können.
Die Nacht verlief ereignislos, und bei Morgengrauen erhoben sie sich. Wenn sich tatsächlich Scanorianer genähert hatten, dann waren sie lautlos wie Nebel gewesen, denn Tallis hatte nichts als den Klang des Windes gehört. Beim Aufstehen fühlte er sich steif, schaute sich um und entdeckte, dass sie sich in größerer Höhe befanden, als er vermutet hatte. Die Lichtung fiel ab und endete an einem Haufen roter Gesteinsbrocken und einem tiefen Abhang. Darunter und zu beiden Seiten gab es noch mehr Felshügel, von denen einige dicht mit graugrünen Büschen bewachsen waren. Viele hatten Plateaus und steile Hänge, als ob Teile des Felsens mit einer riesenhaften Klinge abgehackt worden wären. Die Hügel wurden in der Ferne nach und nach flacher, und jenseits davon
lag fast ebenes Land, von grünen Flächen durchzogen, und etwas Braunes schlängelte sich hindurch, das sich bis zum lilafarbenen Dunst des Horizontes erstreckte.
»Ich glaube, das ist ein Fluss«, sagte Jared leise neben Tallis. Keiner von ihnen hatte je ein solches Gewässer zu Gesicht bekommen.
»Das ist richtig.« Attar gesellte sich zu ihnen. »Das ist der Fluss Pleth, und dahinter beginnt das Meer.« Er grinste sie beide an. Über ihm sah Tallis die Umrisse der Drachen, die kreisend zu Boden gingen. »Bereit, den Rest der Welt zu sehen, Clansmänner?« Attar schlug Tallis kräftig auf den Rücken. »Dann los.« Er drehte sich um und ging davon, um seinen Sattel zu holen.
Sie flogen weiter, überquerten die Bergkette und glitten durch ein breites Tal hinweg über eine wellige Landschaft, übersät mit großen, dünnen Bäumen. Die Blätter sammelten sich an den oberen Ästen wie bei Köpfen von Blumen, und der Erdboden war von einem tiefen, dunklen Rot. Überall versprengt, gab es kleine Ortschaften und Flecken, auf denen Grünpflanzen in langen Reihen angebaut worden waren. Aber es war der Fluss, der Tallis’ ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Noch nie zuvor hatte er einen derartig breiten Wasserstrom gesehen, der so offen zutage trat. In der Wüste floss alles Wasser unterirdisch, tief in einem Brunnen verborgen, oder es sprudelte in einem der seltenen Wasserlöcher im Sand empor. Zu sehen, dass so viel Wasser ungehindert über den Erdboden floss, war erstaunlich. Und der Fluss schien breiter zu werden, während sie ihm folgten. Der Pleth war zu Beginn ein schmaler Nebenfluss gewesen, schwoll dann jedoch an, die Ufer rückten voneinander ab, bis schließlich auch Marathin und Haraka nebeneinander ihn nicht mehr überspannen konnten.
Das Wasser war braun, und manchmal schien es überhaupt nicht zu fließen, während es an anderen Stellen von Steinen und vom Uferverlauf dazu gezwungen wurde, sprühend und mit weißer Gischt dahinzurauschen und hin und wieder Äste von Bäumen, die den Fluss säumten, mit sich zu reißen. Zum ersten Mal,
seit sie die Wüste verlassen hatten, verspürte Tallis einen Anflug von Aufregung und Staunen. Er hätte es sich nicht träumen lassen, welche Vielfalt die Welt bereithielt.
Nur ein einziges Mal machten sie an diesem Tag Rast, um an einer Biegung des Flusses, wo das Wasser schnell dahinschoss, ihre Schläuche aufzufüllen. Die Sonne stand hoch am Himmel, der Nachmittag war heiß, und alle vier zogen ihre Kleidung aus, um den Gestank und den Staub der Reise abzuwaschen. Sowohl Jared als auch Tallis schrien überrascht auf, so unerwartet kalt war das Wasser. Bren fand eine Handvoll wilder Trauben in einem Gestrüpp in der Nähe. Die Haut der Früchte war dick, aber das Fleisch süß und erfrischend im Vergleich zu den viel trockneren Beeren der Wüste.
Ihr Nachtlager schlugen sie etwas weiter oben am Fluss unter einer Baumgruppe auf, und am nächsten Morgen, als sich die Drachen mit
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