Der Herr der Falken - Schlucht
beide dringend um Mäßigung.«
König Olric trat an die Tafel, gefolgt von zwei sehr jungen, sehr schönen Dienerinnen, die einander zum Verwechseln ähnlich sahen. Kerek nahm das höfliche Gespräch wieder auf: »Ich nehme an, das Gemach ist zu Eurer Zufriedenheit, Prinzessin?«
»Nein«, entgegnete sie. »Es ist zu klein, das Kastenbett zu schmal, die Kissen zu hart...«
»Und Eure Dienerin Ingurd? Ist sie dumm und ungehorsam? Ich habe sie selbst ausgesucht«, unterbrach Kerek spöttisch.
»Die Diener brachten kaltes Badewasser. Ich bin an größeren Luxus gewöhnt, Kerek.« Ihr Blick traf den des Königs. »Dieser Palast entspricht nicht meinen Erwartungen. Die Räume sind dunkel und ungelüftet. Ich vermisse die Eleganz des Palastes meines Vaters in Dublin.«
»Du hast überhaupt nichts zu erwarten«, schrie Ragnor sie an. »Hör bloß auf, die verwöhnte Prinzessin zu spielen. Kein Mensch glaubt dir.«
»Ich bin König Olric.«
Sie lächelte dem alten Mann zu, der kurzbeinig und kugelrund war und nur einen Zahn im Mund hatte. Er wirkte verdrießlich und eitel. Und er sah aus, als habe seine Vergreisung bereits bedenkliche Formen angenommen.
»Und dies sind meine Gespielinnen.« Das blonde Haar der Frauen schimmerte wie Silber. Sie hielten die Augen sittsam gesenkt. »Sie sind Zwillinge, nicht einmal ich kann sie auseinanderhalten. Ich habe sie ihrem Vater abgekauft. Und du bist Prinzessin Chessa, König Sitrics Tochter. Nun bist du hier, wie Kerek es versprochen hat. Gut gemacht, Kerek.«
»Hättest du mir den Auftrag gegeben, hätte ich sie früher herbeigeschafft als Kerek.«
»Was du nicht sagst, Ragnor. Vielleicht erzählst du mir später, wie du das angestellt hättest.«
Chessa erkannte die Gefährlichkeit des Königs, er schien keine leeren Drohungen auszusprechen. »Eure Gespielinnen sind sehr schön, Majestät.«
Ein Sklave schob dem König den Stuhl zurecht. Eine der Gespielinnen entfaltete ein weißes Tuch und legte es dem König wie einen Latz vor die Brust, um die vielen mit Diamanten und Rubinen besetzten Goldketten zu schützen.
König Olric wandte sich an Kerek: »Sie ist recht hübsch. Ihr Haar ist zwar schwarz, aber die eingeflochtenen Bänder mildem die vulgäre Wirkung. Ihre Haut hat eine seltsame Farbe - einen Goldschimmer, ungewöhnlich, aber nicht häßlich. Sie sieht fremdländisch aus. Ihre Augen sind interessant. Steh auf, Prinzessin. Ich möchte sehen, ob du ein gebärfreudiges Becken hast.«
Sie hörte, wie Kerek den Atem anhielt, und wußte, daß er ihre Reaktion fürchtete. Ragnor beugte sich gespannt vor. Betont langsam, mit einem gewinnenden Lächeln auf den Lippen, erhob Chessa sich, trat an den Stuhl des Königs und berührte seinen Ärmel. »Haltet Ihr mich für gebärfreudig?«
Er legte seine flachen Hände auf ihren Bauch und umfing ihre Hüftknochen. Sie ließ ihn gewähren, und immer noch umspielte das Lächeln ihre Lippen. Seine Hände umfingen ihre Hinterbacken. Sie wehrte sich auch nicht, als er sie an sich zog, und sein Mund über ihre Brüste strich. »Ja«, sagte der König endlich und ließ sie los. »Sie wird eine angenehme Bettgenossin sein.«
»Ich dachte, du wolltest nur prüfen, ob sie gebärfreudig ist«, entgegnete Ragnor bissig. Der König trank von einem Kelch, den ihm eine seiner Gespielinnen an die Lippen setzte. Chessa begab sich an ihren Platz zurück und schluckte ihre Ekelgefühle tapfer hinunter.
Sie sah zu, wie eine der Dienerinnen ein großes Stück gebratenes Rindfleisch abschnitt und es sorgfältig kaute. Mit schierer Verblüffung beobachtete sie, wie die junge Frau den zerkauten Brei aus dem Mund nahm und ihn dem König sanft zwischen die Lippen schob. Chessa senkte den Blick, um nicht würgen zu müssen.
Kerek sagte sehr leise neben ihr: »Ihr seid klug, Prinzessin. Es blieb keine Zeit, Euch darüber aufzuklären. Das Temperament des Königs ist weniger vorhersehbar als das seines Sohnes.«
»Was flüsterst du da, Kerek?«
»Nichts, Mylord. Ich bat die Prinzessin nur, mir den gedünsteten Kohl zu reichen. Ich glaube, er ist mit Preiselbeeren zubereitet. Köstlich.«
»Du bist ein dummer Mann, Kerek. Nur wegen dir wurden wir von diesem Tölpel Rorik festgehalten. Nur wegen dir sind wir auf dieser Insel gestrandet. Du und Torric, ihr seid Versager.«
Der König hob die Hand, einen jeden Finger zierte ein goldener Ring. Zu Chessas Erstaunen klappte Ragnor sofort den Mund zu und schwieg. »Die Gesandten kehrten heute zurück,
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