Der Herr der Falken - Schlucht
sich. »In deinem Alter, Prinzessin, wäre ich auch darauf hereingefallen. Du wirst dich für dumm halten, zuzulassen, daß ich dich betäubte. Doch du bist nicht dumm. Ich durfte nicht bis zum letzten Augenblick warten, um zu handeln. Sonst hättest du die Limonade nicht angerührt, selbst wenn ich vorher davon getrunken hätte.«
Die Königin rief die Wachen. Einer hüllte Chessa in eine warme Decke und schwang sie sich über die Schulter.
»Folgt mir«, befahl die Königin.
Am nächsten Nachmittag erteilte Baric dem Prinzen Unterricht an einer neuen Harfe und lehrte ihn ein Liebesgedicht.
Isla kauerte demütig zu Barics Füßen.
»Ich will kein Liebesgedicht lernen«, schmollte Ragnor. »Morgen heirate ich die Prinzessin. Dann brauche ich ihr
nichts mehr vorzumachen und keine dummen Gedichte vorzutragen. Außerdem werde ich sie erst wieder zur Hochzeitsfeier sehen. Meine Mutter hat sie eingesperrt, damit sie keine Dummheiten macht. Am liebsten wäre mir, sie würde vergessen, wo sie die dumme Gans versteckt hat, aber meine Mutter vergißt nie etwas.«
Isla warf Ragnor verführerische Blicke zu: »Hoheit, wie schade, daß Ihr diese Schlampe heiraten müßt. Sie weiß nicht zu schätzen, was sie an Euch hat. Ihr fehlt jedes Verständnis für Eure Kunst. Das ist mir unerklärlich.«
Baric schlug die Harfe lauter und blickte angestrengt auf seine Füße.
Ragnor zuckte die Achseln. »Mir auch. Angeblich liebt sie einen anderen, obwohl sie mich kennt. Früher mochte sie mich gern, doch dann änderte sie sich. Dabei habe ich nur versucht, sie zu beschlafen. Sie ist sehr eigensinnig.« Er seufzte tief. »Sie ist wie meine Mutter.«
»Aber die Königin ist dem König völlig untertan. Auch Ihr werdet die Prinzessin unterwerfen.«
»Pah!« entfuhr es Ragnor. »Du kennst meine Mutter nicht, Isla. Du hast keine Ahnung.«
»Noch einen Becher Met, Hoheit? Ich habe an Euch gedacht, als ich ihn braute. Er schmeckt voll und dunkel, so wie eine Frau schmecken sollte - wie ich schmecke. Die Dirne schmeckt vermutlich schal wie Ziegenpisse.«
Ragnor lief das Wasser im Mund zusammen. Isla zog einen vollen Ziegenbeutel unter ihrem Gewand hervor. Sein Blick heftete sich lüstern auf ihre prallen Brüste. Für seinen Geschmack trug sie zuviel Schminke auf. Die Augenklappe störte ihn nicht, das alles war unwichtig. Der gute Met war wichtig, und daß sie ihn anbetete.
Er trank gierig und spürte ihr Lächeln. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Dein Met ist noch besser als Uttas. Teilst du mit mir das Lager, wenn ich mit Chessa verheiratet bin? Und braust mir köstlichen Met?«
»Ich denke darüber nach. Wißt Ihr, Prinz Ragnor, eine andere Frau müßte dieser dummen Prinzessin sagen, welches Glück sie hat. Vielleicht sollte ich mit ihr reden. Ich würde
ihr die Augen öffnen und ihr verständlich machen, welche Ehre es für sie ist, Eure Gemahlin zu sein. Möglicherweise ist sie von diesem anderen Mann gar nicht schwanger. Vielleicht ist es nur wieder eine Lüge. Ich könnte sie dazu bringen, mir die Wahrheit zu sagen.«
»Wenn meine Mutter keinen Erfolg bei ihr hatte, ist alles hoffnungslos. Die Königin war sogar gezwungen, sie zu betäuben. Ich glaube, sie ist immer noch besinnungslos.«
Isla zuckte gleichgültig die Achseln und schenkte Ragnor mehr Met ein. »Es wäre einen Versuch wert. Schaden kann es doch nicht.«
»Ich denke darüber nach. Baric, ich will Met trinken und keine blöden Gedichte auswendig lernen. Ich will Isla ansehen. Sie wird mir die Stirn kühlen. Spiel für uns.«
»Ja, Hoheit«, antwortete Baric, den Blick immer noch auf seine Schuhe gerichtet, froh, sein Gesicht unter dem Bart verdeckt zu wissen.
»Schmeckst du wirklich süß und dunkel, Isla?«
»Keine Frau schmeckt dunkler und süßer als ich, Hoheit.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht, Hoheit. Aber es klingt hübsch.«
Baric sang lauter, und seine melodische Stimme erfüllte den Raum.
»Noch etwas Met, Hoheit?«
»Ich bin sehr müde, Isla. Sehr müde.«
»Dann bettet Euer königliches Haupt in meinen Schoß und ruht Euch aus. So ist es gut.«
Ragnor begann zu schnarchen. Isla blickte zu den Wachen hinüber, die mit gelangweilten Gesichtern den Eingang flankierten.
»Dein Lied ist wunderschön, Baric. Damit hast du den Prinz in den Schlaf gesungen.«
»Ja. Ich muß mich erleichtern. Willst du, daß ich Ragnor trage?«
»Es sähe wohl merkwürdig aus, wenn ich ihn tragen würde.«
»Nimm meine
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