Der Herr der Falken - Schlucht
Garten standest.«
Er beugte sich vor und küßte ihren Mund. Die Stille barst, und alle brachen in Jubel und Hochrufe aus. Cleve nahm sie in die Arme und bettete ihr Gesicht an seine Schulter.
»Papa!«
»Welcher?« fragte sie und wandte sich ihrer neuen Tochter zu.
»Mein einziger Papa«, entgegnete Kiri.
Lachen mischte sich in die Hochrufe.
Cleve hob seine Tochter hoch. »Nun hast du eine neue Mama, die obendrein dein zweiter Papa ist.«
Kiri schaute Chessa stirnrunzelnd an. Langsam streckte sie die Hand aus und berührte Chessas Wange. »Ich weiß nicht recht«, sagte Kiri.
»Ich auch nicht«, antwortete Chessa. »Wir finden es gemeinsam heraus.«
Trotz der späten Stunde war das Hochzeitsmahl noch in vollem Gange. Die Gespräche der Gäste waren lauter und derber geworden. Es wurde viel gelacht und gescherzt. Es gab auch einige gutmütige Raufereien zwischen den Männer von Malverne und der Habichtsinsel, doch Cleve achtete darauf, daß es zu keiner ernsthaften Schlägerei kam.
»Ein wunderbares Fest«, sagte Chessa zu ihrem frischgebackenen Ehemann.
»Wirst du mir wirklich immer treu sein, Chessa? Wirst du immer bei mir bleiben, bis ich aufhöre zu atmen?«
»Ja«, antwortete sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn auf den Mund. Von allen Seiten gab es Zurufe, Ratschläge, Jubel. Sie spürte seine Zunge auf ihrer Unterlippe und erbebte leicht. Er hob den Kopf und grinste.
Die alte Alna kreischte: »Sie wird williger, wenn du ihr noch einen Becher von Uttas Met in die Gurgel gießt.«
Cleves Finger strichen sanft über ihre Kehle. Chessas Magen knurrte, und er lachte. »Komm Frau, ich füttere dich lieber mit saftigem Wildschweinbraten. Wie wunderbar er duftet!«
Die Tische bogen sich unter der Last der Schüsseln und Platten. Die Schöpfkellen an den Fässern mit Wein und Bier kamen nicht zur Ruhe. Laren erzählte drei Geschichten, bis sie vom reichlichen Metgenuß kichernd vom Tisch fiel, in Merriks Armen landete und beide eng umschlungen lachend auf der Erde kugelten. Kerzog war zu vollgefressen, um an der Balgerei teilzunehmen. Er vermochte nur gelegentlich den Kopf mit fragendem Blick zu heben, ob ihm noch jemand einen saftigen Fleischhappen hinhielt.
Die Kinder waren längst ins Haus gebracht worden und schliefen.
Chessa hatte nicht einen Schluck Bier getrunken, ja nicht einmal an Uttas berühmtem Met gerochen. Sie war zu aufgeregt. Und Cleve wußte das. Er sah sie immer wieder an, und ein feines, geheimnisvolles Lächeln umspielte seine Mundwinkel, ein Lächeln, das ihr Dinge versprach, von denen sie noch nichts wußte.
Rorik, dessen Magen rebellierte, wenn er mehr als einen Becher Met trank, war ebenso nüchtern wie Chessa. Gegen Mitternacht sagte er zu ihr: »Du hast Cleves Leben völlig verändert. Merrik und ich, wir haben uns Sorgen um ihn gemacht. Er hat unendlich viel Leid erduldet, ein Leben voll Schmerz und Erniedrigung. Es grenzt an ein Wunder, daß er noch lachen kann, und daß er die Schönheit eines Sonnenuntergangs genießen kann. All das zeugt von einer inneren Kraft, wie sie nur ein Wikinger besitzt.«
»Ich werde ihn beschützen, Rorik, ich schwöre es«, versprach Chessa ernsthaft. »Ich werde ihm alles geben, was in meiner Macht steht.«
»Das hast du auch schon bei der Zeremonie gesagt. Die Frauen waren bewegt, die Männer ungläubig.«
»Männer sind immer ungläubig. Ich werde trotzdem immer für ihn da sein. Er weiß, daß ich ebenso geschickt mit dem Messer umgehe wie er.«
»Nicht ganz«, widersprach Cleve, der hinter sie getreten war, ihr Haar im Nacken hob und ihre feuchte Haut küßte. Sie erschauerte. Er stellte sich neben sie und strich mit den Fingern durch ihre schwere Haarfülle. »Schwarz wie die Sünde, genau wie Miranas Haar. Vergiß nicht, ich habe fünf Jahre auf Malverne gelebt. Merrik ist mir wie ein Bruder. Er ist ein tapferer Kämpfer, er hat mir alles beigebracht, was ich kann. Und er hat mich gelehrt, Vertrauen zu haben. Ja, ich hatte großes Glück, Rorik. Nun möchte ich meine Frau an ein verschwiegenes Plätzchen führen und sie in die Geheimnisse der Lust zwischen Mann und Frau einweihen. Freya mahnt mich den ganzen Abend an meine Pflichten. Wir sind bald wieder zurück.« Damit zog er seine Braut mit sich durch die Palisadentore in die Nacht.
»Ihr könnt Miranas und meine Kammer haben«, rief Rorik den beiden nach.
»Vorsicht, der Weg ist gefährlich«, warnte Cleve und zog sie näher, drehte sie sanft zu sich und hob
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