Der Herr der Falken - Schlucht
zerschlagen, sie hatte wenig geschlafen. Auch Cleve hatte schlecht geschlafen, weil er sie von ihren Schmerzen ablenken wollte. Als sie im Morgengrauen das Schiff verließen, fragte er: »Hast du jedesmal solche Krämpfe?«
Sie senkte den Kopf und schaute angestrengt auf den Pfad, der sich vom Ufer bis zur Hügelkuppe und zum Haus wand. Ein Kiebitz stakste eilig über den Weg.
»Du brauchst dich nicht zu schämen«, sagte er gereizt. »Nachdem du bei allen mit meiner Größe geprahlt hast, und wie oft ich dich in der Hochzeitsnacht genommen habe.«
»Das ist etwas anderes«, sagte sie. »Nein, ich hab nicht jedesmal solche Krämpfe. Kann es sein, daß in der Hochzeitsnacht etwas kaputt gegangen ist?«
»Rede kein dummes Zeug. Wie oft muß ich es dir noch sagen? Ich bin ein ganz normaler Mann. Ich möchte, daß du dich heute ausruhst.«
»Aber Mirana will mir zeigen, wie man Heisch und Fisch räuchert.«
»Das kann warten. Ruh dich aus.«
Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und hob es hoch. Er küßte sie sanft, wobei seine Daumen leicht über ihre Augenbrauen strichen, dann küßte er ihre Nasenspitze und streichelte ihren Bauch. »Ruh dich aus«, wiederholte er und ging.
»Es tut mir leid, Cleve.«
»Ich weiß«, feixte er über die Schulter. »Wir werden es überleben.« Seltsam, dachte er, wie die Ehe seinen Verstand, seinen ganzen Körper auf die Sexualität fixierte. Nie zuvor war er derartig von seinem Körper versklavt worden. Wenn er den Drang danach verspürte, schlief er mit einer Frau, hatte
Spaß daran und hoffte, daß sie es gleichermaßen genossen hatte. Und am nächsten Morgen ging das Leben wie gewohnt weiter. Doch seit seiner Ehe war das anders. Er konnte an nichts anderes mehr denken. Lag es an Chessa? Nein. Er mochte sie gern, bewunderte sie, fürchtete ihre Sturheit, manchmal auch ihre Tatkraft, denn das Ergebnis ihrer Handlungen war nicht immer nach seinen Wünschen. Doch nie saß sie da und lamentierte und weinte, es sei denn, es gehörte zu einer ihrer weiblichen Strategien. Er war ständig erregt, verlangte nach ihr, hielt nach ihr Ausschau und konnte an nichts anderes denken. Sie gehörte ihm, und das veränderte alles. Sie gehörte ihm ganz allein. Das einzige Problem dabei war, daß er nicht bekam, was ihm zustand, wenigstens mußte er noch ein paar Tage warten. Er stöhnte auf.
»Hast du nicht gut geschlafen?«
Haakon bedachte ihn mit einem düsteren Blick. »Du siehst aus, als hättest du die ganze Nacht schwer geschuftet. Ich habe heute nacht auch schwer gearbeitet, aber wenigstens kann ich die Augen offen und meine Schultern gerade halten.«
»Ich habe gut geschlafen, Haakon. Ich habe mich nicht überanstrengt.« Mehr sagte er nicht. Verflucht nochmal, es ging niemanden was an, wie er und Chessa die Nacht verbrachten.
Chessa wurde von mitfühlenden Frauen umringt. Die meisten strahlten glücklich, und Chessa kannte den Grund, ihr war freilich die Erfüllung versagt geblieben. Freya strafte sie für all ihre Lügen.
»Trink, das löst deine Bauchkrämpfe«, sagte Mirana und hielt ihr einen Becher hin.
»Arme Chessa«, sagte Entti hinter ihr.
»Armer Cleve«, zischelte die alte Alna. »Er ist ein geiler junger Bursche, und er wird mit jeder Stunde geiler. Vielleicht sollte ich ihm die fiebrige Stirn kühlen und ihm ein Lied Vorsingen.«
»Lieber nicht, Alna«, wehrte Mirana ab.
Zu Cleves großer Erleichterung wurde kein Wort gesprochen weder über seine Größe, seine Männlichkeit noch seine
Ausdauer. Die Männer warfen Chessa heimliche Blicke zu. Sie sahen zwar, wie müde sie war und wunderten sich darüber, stellten diesmal jedoch keine Fragen.
Beim Nachtmahl verkündete Merrik: »In zwei Tagen brechen wir nach Schottland auf. Morgen werden die Kriegsschiffe mit Proviant beladen.«
»Ich möchte in York an Land gehen und Ragnor umbringen«, knirschte Hafter. »Der Dreckskerl hat dich soweit getrieben, Cleve, daß du Weiberbrüste umbinden und dich schminken mußtest.«
Cleve lachte nur.
»Er war schön, alle Männer bewunderten ihn«, meldete Chessa stolz. »Als er in meine Kammer kam, durfte ich ihn nicht umarmen, weil er fürchtete, daß seine Brüste verrutschen und die Farbe ihm vom Gesicht bröckelt.«
»Hast du ihn denn nicht gleich an seinen Augen erkannt, Chessa?« fragte Mirana.
»Er trug eine weiße Binde über dem rechten Auge. Ich sah nur eine Hure mit großen Brüsten, die in meine Kammer schlich und mich küßte.«
»Und du hättest mich beinahe
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