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Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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erstochen«, fügte Cleve hinzu. »Sie glaubte, einer der Wachen wolle ihr Gewalt antun und versuchte, mir ein Messer zwischen die Rippen zu jagen. Als sie mich erkannte, umarmte sie mich so stürmisch, daß meine Brüste beinahe auf den Fußboden kullerten.«
    Es gab viel Gelächter und Scherze, und Chessa bekam rote Ohren.
    Kiri durfte bei ihren beiden Papas schlafen. Das eröffnete ihr Cleve und machte dabei ein tieftrauriges Gesicht. Die beiden wickelten sich in ihre Decken in der Nähe des Herdes, Kiri in ihrer Mitte.
    »Wir fahren in ein Land namens Schottland«, erklärte Cleve und küßte die Kleine auf die Stirn. »In die Stadt Inverness. Das ist eine Handelsstadt an der Moray Förde. Dort leben viele Wikinger, aber auch andere Volksstämme.«
    »Ja, Kiri«, ergänzte Chessa. »Da wohnt das alte Volk der Pikten, über die ich nur wenig weiß, und dann gibt es noch Briten, Sachsen, die Dalriadaschotten ...«
    »Ich hörte, wie Onkel Gunleik Erna erzählte, daß die nicht so sauber sind wie wir«, beeilte sich Kiri, ihr Wissen beizusteuern. »Er sagte, die Wolle, die sie spinnt, sei viel zu schade für diese ungewaschenen Ferkel. Dann hat er sie geküßt.«
    »Das ist schon möglich«, meinte Chessa.
    »Ernas Arm sieht komisch aus, aber sie benützt ihn auch beim Weben«, sagte Kiri.
    »Ja, ihr Arm ist verkümmert, aber deshalb ist sie nicht anders als wir. Das darfst du nie vergessen, Kiri«, mahnte Cleve.
    »Alle haben sie gern«, ergänzte Chessa. »Der Wert einer Frau hat nichts mit ihrem Aussehen zu tun.«
    »Bei einem Mann ist es genauso«, setzte Cleve hinzu.
    »Ja«, flüsterte Chessa in sein Ohr. »Dann begreifst du ja endlich, wie sehr ich dich liebe. Nicht nur dein schönes Gesicht und deinen Körper, sondern deinen Geist, deinen großen inneren Reichtum.«
    »Du bist verrückt«, entgegnete er und küßte sie.
    Kiri drehte sich um, schaute ihrem Vater ins Gesicht und versetzte Chessa dabei einen Fußtritt. »Du meinst, diese komischen Leute haben nicht einmal eine Badehütte?«
    »Nein«, antwortete Cleve. »Viele von ihnen waschen sich ihr ganzes Leben lang nicht. Wir werden nicht in ihrer Nähe wohnen, das verspreche ich dir, Liebes.«
    Chessa nahm Cleves Hand. »Sie haben auch einen anderen Glauben, Kiri. Wir Wikinger glauben an Allvater Odin, dem mächtigsten aller Götter, dem Schöpfer, dem Krieger, dem Wächter über Himmel und Erde. Dann gibt es noch Thor. In Dublin, wo ich herkomme, nennt man uns das Volk von Thor. Er ist unser Himmelsgott, der Gott des Donners und der Stürme, zu dem die Seefahrer um gutes Wetter beten. Er steht uns näher als Allvater Odin.«
    »Kannst du dir das alles merken, Kiri?«
    »Ja, Papa. Freya hilft mir dabei.«
    Er stöhnte. »Hat dir schon mal jemand gesagt, daß du ziemlich altklug bist? Nein, behalte die Antwort für dich. Wußtest du, daß viele Wikinger den christlichen Glauben angenommen haben? Mönche, Priester und Bischöfe predigen den Christen, was sie glauben sollen, was sie tun müssen, und jeder dieser heiligen Männer sagt etwas anderes. Nur in einem Punkt sind sie sich einig, daß es nur einen allmächtigen Gott gibt. Sie haben auch ein Walhall wie wir, aber dieser eine, einzige Gott muß sich um alles kümmern, um ihre Fortpflanzung, ihre Kriege, ihre Ernten, um alles. Das sind eine Menge Aufgaben für nur einen einzigen Gott.«
    »Herzog Rollo der Normandie und die Wikinger, die im Danelagh leben, sind Christen, behaupten sie wenigstens.«
    »So ist es, Liebling. Und nun wollen wir schlafen, weil ich deinen zweiten Papa gern küssen würde, aber nicht darf, und das tut mir sehr weh. Gute Nacht, Kiri.«
    »Gute Nacht, Papa. Gute Nacht, Papa.«
    »Bald fahren wir nach Schottland in ein großes Abenteuer, Kiri«, sagte Chessa und küßte Cleves Finger.
    »Warum darfst du Chessa nicht küssen, Papa?«
    »Schlaf jetzt, Kiri.«
    Cleve konnte lange nicht einschlafen. Es stimmte, ein großes Abenteuer lag vor ihnen. Das machte ihm Angst. Er hatte keine Ahnung, was sie vorfinden würden. Ob sich überhaupt noch irgendein Mensch an ihn erinnerte. In den zwanzig Jahren seiner Abwesenheit hatte sich gewiß alles verändert. Für die Leute war Cleve ein kleiner Junge, den man seit zwei Jahrzehnten für tot hielt. Vielleicht existierte all das, woran er sich erinnerte, gar nicht mehr? Vielleicht war nichts mehr so wie früher?
    Als lese sie seine Gedanken, flüsterte Chessa mit unendlich viel Liebe in der Stimme: »Hauptsache, wir sind zusammen. Es wird

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