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Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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blau und durchsichtig war wie die Fjorde der Heimat. Knapp unter dem Wasserspiegel wurde es gleich dunkel. Chessa rieselte ein kalter Schauer bei dem Gedanken, sie könne über Bord fallen, über den Rücken.
    »Ist der See wirklich unendlich tief, Cleve?« fragte sie und blickte forschend in die schwarzen Fluten.
    »Das behaupten jedenfalls die Männer.«
    »Vielleicht sehen wir das Ungeheuer. Haben die Männer gesagt, wie es aussieht?«
    »Es gibt verschiedene Beschreibungen. Die meisten sagen, es sei eine Seeschlange mit einem langen, schuppigen Hals und einem ziemlich kleinen Kopf. Die Männer sprachen auch von Höckern, aber keiner konnte Genaueres sagen.«
    »Dort ist es«, rief Eller. »Kinloch«, und deutete auf einen Landvorsprung am Westufer. Eine felsige, weit in den See ragende Landzunge, auf deren Anhöhe eine Festung thronte, die vom Wasser her schier uneinnehmbar war. Der Zugang vom Land her war jedoch völlig von Bäumen und Strauchwerk gerodet. Ein breiter Weg führte zu dem wehrhaften Langhaus, das die gesamte Hügelkuppe einnahm, und nicht zu vergleichen war mit einem einfachen Gehöft wie etwa Malverne.
    Mindestens zwanzig Wirtschaftsgebäude drängten sich am Fuße des Hügels am Seeufer, ebenerdige, schindelgedeckte, Holzbauten. Es gab umzäunte Pferche für Kühe, Schafe und Ziegen; ein geräumiges Räucherhaus, ein Badehaus, ein Abtritt, zwei Sklavenhütten. Dahinter zogen sich weitläufige Felder mit goldgelber Gerste, Roggen und Hafer bis hin zum Waldrand. Das gesamte Land war von hohen Palisaden eingezäunt, und die Pfosten ragten wehrhaft zugespitzt etwa drei Meter hoch.
    »Hier braucht niemand Angst zu haben, von Schotten, Pikten oder Briten überfallen zu werden«, sagte Merrik bewundernd. »Auch ich habe mich gestern in Inverness umgehört. Es gab immer wieder Überfälle. Doch seit König McAlpins Regentschaft im letzten Jahrhundert haben die blutrünstigen Kriege zwischen Wikingern, Schotten und Pikten aufgehört.« Er wandte sich an Chessa. »Er vereinte die Skoten und die Pikten und gab ihnen im Westen Scone zur Hauptstadt. Ihr jetziger König heißt Constantine.«
    Cleve blickte hinauf zu der dräuenden Holzfestung. »Ich erinnere mich, links von dem riesigen Portal hing ein dicker Ast, der aussah wie eine Seeschlange. In ihn waren tiefe Kerben und Löcher getrieben, um Töpfe und Schöpfkellen daran aufzuhängen. Diese hölzerne Seeschlange jagte mir immer gehörige Angst ein. Meine Mutter lachte mich aus und sagte, das Ungeheuer stehe in ihren Diensten und würde mir nichts tun.«
    »Cleve, du sagtest doch, deine Mutter starb, kurz bevor man dir nach dem Leben trachtete. Erinnerst du dich noch an andere Dinge, die deine Mutter betreffen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Nur daß ihr Haar fast so rot war wie Larens; sie hatte grüne Augen wie Chessa. Und sie war sehr zierlich.«
    »Was tun?« fragte Merrik und strich sich das Kinn. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß dein Stiefvater sich sonderlich freut, dein Gesicht zu sehen. Er wähnt sich seit vielen Jahren in Sicherheit, weil er dich für tot hält. Stürmen können wir die Festung nicht, Cleve. Was ist eigentlich mit deinem Bruder? Vermutlich ist auch er ums Leben gekommen.«
    »Ja, das ist anzunehmen«, sagte Cleve. »Ich gehe allein zum Tor und bitte die Wachen, zu Lord Varrick vorgelassen zu werden, da ich wichtige Dinge mit ihm zu besprechen hätte.«
    »Mit deinem diplomatischen Gehabe kommst du nicht weit, Cleve«, widersprach Chessa. »Dieser Mann scheint mir weniger zivilisiert und höflich als mein Vater oder Herzog Rollo zu sein. Ich lasse dich auf keinen Fall alleine dort hinauf.«
    »Und ich fange wieder an, Stöckchen zu zählen, wenn du mich allein läßt«, klagte Kiri.
    »Auch wenn du mich beschuldigst, deine Tochter zu beeinflussen«, hakte Chessa nach, »lassen wir dich nicht alleine gehen. Laren und Merrik begleiten dich ebenfalls. Zwei Männer mit Frauen und einem Kind hält niemand für Feinde.
    Und außerdem bin ich eine Prinzessin. Vergiß das nicht. Und Larens Onkel ist Herzog Rollo. Dein Stiefvater hat mit Sicherheit von ihm gehört.«
    Niemand wußte, was geschehen würde. Eins aber wußten alle, nämlich daß sie nicht ewig warten konnten.
    Cleve hätte es vorgezogen, Chessa und Kiri auf dem Schiff zu lassen, doch als er abermals eine diesbezügliche Bemerkung machte, blickte Chessa ihn nur streng an. »Nein. Du bist mein Gemahl. Ich lasse dich auf keinen Fall allein dort hinaufgehen.«
    Cleve

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