Der Herr der Falken - Schlucht
Liebhaber und Ehemann, den eine Frau sich wünschen kann.«
In verhaltenem Unmut preßte er zwischen den Zähnen hervor: »Sei still, oder ich versohle dir den Hintern. Willst du, daß die Männer vor Eifersucht eine Meuterei anzetteln?«
»Nun gut«, lächelte sie beglückt und küßte ihn auf den Mund. »Ich bin still, aber du bist trotzdem der beste Liebhaber auf der ganzen Welt.«
»Und was hast du mir mitgebracht, Papa?«
Cleve schob Chessa beiseite und reichte seiner Tochter einen schmalen Armreif aus glänzendem Silber, den die Kleine gehörig bestaunte und glücklich um ihr Handgelenk legte und hochschob.
Die Männer machten betretene Gesichter. Chessa wußte, daß sie ihre Frauen und Kinder vermißten. Und es würde wohl noch eine Weile dauern, bevor sie nach Malverne zurückkehrten.
»Sieh mal an, lauter weiße Heiden!«
Die Männer fuhren herum und standen vor einem verhutzelten Greis. Sein schütterer, grauer Bart hing ihm fast bis zum Nabel, dafür war sein Kopf völlig kahl. Er trug eine schwarze Kutte, die mit einer Schnur um die Mitte gebunden war. Er grinste zahnlos.
»In unsere Stadt kommen viele schwarze Heiden, um Handel zu treiben«, krächzte er. Und Chessa dachte, der wäre ein vorzüglicher Gefährte für die alte Alna. »Die bleiben alle nicht lang und kehren wieder nach Danelagh zurück, weil sie unser Klima nicht vertragen.«
»Was meint er, Cleve?«
»Wir kommen aus Norwegen und sind weiße Heiden. Schwarze Heiden sind die Dänen. Wir sind größer und haben helleres Haar. Und außerdem haben wir mehr Ehre im Leib als diese Dänen.«
Merrik lächelte den Greis an. »Ich bin Merrik, Lord von Malverne in Norwegen. Wir bringen unseren Freund in seine Heimat zurück. Er hat sie als kleiner Junge verlassen. Seine Familie herrscht auf Kinloch. Vielleicht hast du von ihnen gehört?«
Der alte Mann schien noch mehr zu schrumpfen. Die Falten in seinem Gesicht vertieften sich. Er starrte Cleve an und wich entsetzt zurück. »Och«, ächzte er und kreuzte die Finger, als wehre er einen bösen Geist ab. »Er ist einer von denen, einer der Dämonen, die das Ungeheuer rufen.«
»Welche Dämonen?« fragte Chessa.
»Welches Ungeheuer?« fragte Merrik.
Der Alte zitterte, und seine gichtigen Hände öffneten und schlossen sich. »Kinloch. Er nennt sich der Herr der Finsternis. Er ist grausamer als die Grafen von Orkney. Seine Leute töten und reißen alles an sich, was ihnen gefällt. Er ist ein Dämon, der Lord des Bösen, gemeiner noch als der Teufel der Christen, der mit jedem Tag näherrückt. Niemand weiß, ob der christliche Gott mehr Macht hat als der christliche Teufel. Wir haben unseren Teufel schon, und du bist mit ihm verwandt - mit dem Herrn der Finsternis - dem Lord des Bösen. Geh fort, wenn du zu ihm gehörst. Du bist ein Monster, genau wie er. Ich seh es ganz deutlich.«
»Interessant«, sagte Cleve, nachdem der alte Mann mit erstaunlicher Behendigkeit die Flucht ergriffen hatte. »Ich stamme aus einer Familie von Dämonen? Der Herr der Finsternis? Der Lord des Bösen? Schlimmer als der christliche Teufel? Mein entstelltes Gesicht hat ihm wohl nicht gefallen. Ich komme mir vor wie in einer von Larens Geschichten. Wo ist sie eigentlich?«
»Sie verkauft mit Eller auf dem Markt Specksteingefäße.
Unsere sind die schönsten in der ganzen Stadt. Sarla hat sie gefertigt, bevor sie wahnsinnig wurde.«
Niemand sagte etwas darauf.
Wenige Stunden später verließen sie Inverness und segelten das Flüßchen Ness entlang, dessen Ufer besiedelt waren. Sie suchten eine einsame Bucht, um das Nachtlager aufzuschlagen. An der Mündung in den See zogen sie das Kriegsschiff und das Handelsboot an einem schmalen Nebenarm an Land.
Der Nebel war dichter, die Abendluft frisch geworden. Laren bereitete einen köstlichen Hirscheintopf, den die Männer wohlig schmatzend verzehrten.
»Ich erinnere mich«, sagte Cleve und spießte einen saftigen Heischbrocken auf sein Messer, »es gab viel Wild, Hasen und Moorhühner. Der See war voller Lachse, und im Meer gab es Heringsschwärme im Überfluß. Niemand mußte Hunger leiden, auch nicht im Winter, denn hier wird es nie so kalt wie in Norwegen.«
»Aber dieser Nebel«, wandte Merrik ein. »Es ist Sommer, und trotzdem dringt der Nebel durch unsere Bärenfelle und legt sich klamm auf die Haut. Morgen werden wir feststellen, was für ein Dämon du wirklich bist.«
Chessa saß mit gekreuzten Beinen am Feuer, Kiri hatte es sich auf ihrem Schoß bequem
Weitere Kostenlose Bücher