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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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jedoch kein Wort, sondern lief bloß zwischen uns herum und schmiegte sich an unsere Beine.
    »Gut«, meinte Len schließlich, »bleiben wir hier.«
    Rund eine halbe Minute warteten wir und sahen einander an, trauten uns aber nicht, nach oben zu schauen. Der Wind zerzauste Lens Ha a re, sodass sie ihm in die Augen fielen, aber er schien das gar nicht zu merken. Jedes Detail dieses Moments prägte sich mir ein …
    Als Erstes fing ein Gebäude Feuer, das ich kannte: der Seniorclub. Dunkle Flammen ergossen sich in null Komma nichts über das ganze Dach, das Knistern brennenden Holzes wirkte in der Stille so laut wie das Rattern eines Maschinengewehrs.
    Aber vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm, beruhigte ich mich selbst. Schließlich ist es keine Atombombe. Noch nicht mal Napalm.
    Die Flammen schienen auf diesen Gedanken bloß gewartet zu h a ben. Das Schwarze Feuer schlingerte entlang der Mauern abwärts und strömte über das Kopfsteinpflaster, um sich über das Nachbarhaus herzumachen. Hier loderte es zum zweiten Mal auf, jetzt schon viel näher, nämlich nur noch hundert Meter von uns entfernt. Eine Hitz e welle schlug mir ins Gesicht und das flache, quadratische Gebäude am Ende der Straße krachte in sich zusammen. Auf einen Schlag, als wäre drinnen eine gigantische Bombe explodiert.
    »Das ist das Waffenlager!« Gerts Stimme klang verzweifelt. »Wie hast du es nur geschafft, so genau zu zielen, Len?«
    Ich drehte mich um, obwohl ich den Blick kaum vom Feuer reißen konnte, und bemerkte das verlegene Lächeln im Gesicht meines Jun i ors. So lächelte nur jemand, der ein unverdientes, aber dickes Lob eingeheimst hatte.
    »Ich hab nicht gezielt … Der Wind und das Schicksal … so funkti o niert es doch, oder, Gert?«
    Gert schwieg. Das hat er nun davon, dachte ich.
    »Der Wind und das Schicksal«, flüsterte der Kater. »Bewusst hast du natürlich nicht gezielt … «
    Da krachte es zum dritten Mal, auch diesmal ziemlich nah, ebenfalls irgendwo am Stadtrand. Gerts Gesicht erbleichte, alle Entschlosse n heit und Kraft wich daraus. Mit einem Mal sah er wie derjenige aus, der er absolut nicht sein wollte: ein tatteriger alter Mann.
    »Die Wohnviertel … « Das Lächeln verschwand von Lens Gesicht.
    Gert flüsterte etwas und stürzte die Treppe hinunter. Ich wollte ihm schon nachrennen, aber im letzten Moment fiel mir ein, dass wir ja schneller zum Ziel gelangen konnten. Ich spreizte die Flügel und sprang vom Turm.
    »Tu das nicht!«, schrie der Kater. Ich hörte nicht auf ihn. Mit den Flügeln schlagend, stieg ich höher und höher, bis mich ein Strom he i ßer Luft erfasste, der von dem brennenden Waffenlager herüberwehte und weitereilte, um das nächste Feuer zu entfachen. Erst jetzt, eine Minute nachdem die erste Flasche aufgeschlagen war, durchriss ein Schrei die Stille.
    Die verratene Stadt erwachte.
    Ich war bereits bis fast an die brennenden Häuser herangeflogen, als von einem der Türme unter mir ein Flügelträger startete, ein Junge in meinem Alter, also ein Junior. Er schoss auf mich zu, erkannte mich aber offenbar nicht. »Nach oben!«, brüllte er. »Shoky hat befohlen, die Freiflieger zu schnappen, die das getan haben!«
    Na gut, dann halt nach oben. Ich stieg höher, entfernte mich aber nach und nach von den Flügelträgern, die einer nach dem andern hoch zum Himmel schossen. Natürlich dachte ich nicht daran, irgendwelche Freiflieger zu suchen. Eine Minute später machte ich eine Kehre und ging wieder tiefer.
    Es brannten fünf oder sechs Häuser, inzwischen wütete schon nicht mehr das Schwarze Feuer, sondern ein ganz normales. Das grelle Licht blendete mich unangenehm, bis ich endlich auf die Idee kam, das Visier hochzuschieben. Überall wuselten Leute herum, vor allem Männer und Frauen. Flügelträger entdeckte ich kaum, die machten alle Jagd auf die nicht vorhandenen Angreifer.
    Die Leute versuchten, die Brände zu löschen, wenn auch verdammt umständlich. Außerdem bewegten sie sich irgendwie völlig idiotisch. Als mir endlich aufging, woran das lag, mischte ich mich unter sie, packte immer wieder jemanden am Arm und befahl ihm, die Brille abzunehmen.
    Die Flügelträger kannten keine Straßenlaternen. Der Gedanke, es könnte draußen hell sein vom Feuer, war ihnen einfach nicht in den Sinn gekommen!
    Vor einem der Nachbarhäuser bildeten sich eine Kette, über die Wassereimer weitergereicht wurden. Aber das brachte nicht viel. Das Feuer kroch dem Wasser einfach davon, um sich über

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