Der Herr der Habichts - Insel
den Falten ihres Kleides verbarg. Hatte Hafter sie nicht reden gehört? Glaubte er immer noch, Entti sei zu einfältig, um irgend etwas zu begreifen?
Hafter lächelte Entti treuherzig an. Er schien keinen Argwohn zu hegen. Rorik hingegen ließ Mirana nicht aus den Augen. Sie bemerkte den Zweifel in seinen Augen.
Mirana blieb unbeweglich stehen, wartete in größter Anspannung.
Plötzlich hörte Rorik einen erstickten Schrei. Er fuhr herum und sah, wie Hafter in die Knie sackte, sich den
Schädel hielt und Entti anglotzte, die drohend vor ihm stand, den Schwertgriff zum zweiten Schlag erhoben.
»Rühr dich nicht von der Stelle, Hafter«, sagte sie mit völlig veränderter Stimme, der Stimme, die er gehört hatte, als er mit Rorik aus dem Unterholz kam. Doch er hatte geglaubt, sich zu irren . . . Ihm wurde übel bei der Erkenntnis seiner eigenen Dummheit.
Rorik schrie: »Bei Thors Hammer, was hat das zu bedeuten?!« Er trat einen Schritt auf Hafter zu, blieb wie angewurzelt stehen und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er und blickte von Entti zu Mirana. »Nie wieder werde ich eine Frau unterschätzen. Du bist gar nicht schwachsinnig, nicht wahr, Entti? Kein törichtes Kind, das einem Mann das Bett wärmt und ihn unschuldig anlächelt. Du warst nie Miranas Geisel. Bei allen Göttern, wie dumm von mir, das nicht zu erkennen.«
»Geh weg, Rorik«, sagte Mirana mit kalter Stimme. »Geh weg. Entti hat anscheinend etwas für Hafter übrig, sonst hätte sie ihn getötet. Geh. Ich möchte dich nicht verletzen. Aber jetzt sind wir zwei gegen dich allein. Wir sind in der Überzahl, Rorik. Entti ist im Umgang mit Waffen ebenso geschickt wie ich. Und sie zögert nicht, dir das Schwert in den Bauch zu stoßen. Und ich habe dir schon einmal das Messer an die Kehle gesetzt, und ich werde es wieder tun, doch diesmal wird dein Blut in den Sand sprudeln. Geh.«
Sie glaubte keinen Augenblick an das, was sie sagte. Aber ihre Stimme klang sehr überzeugend, da war kein Schimmer von Zweifel oder Zögern herauszuhören.
Rorik wirkte unschlüssig. Glaubte er ihr? Sie klang eiskalt und sehr selbstsicher. Hatte er tatsächlich Angst vor ihr? Nein, sie würde ihm nicht wieder in die Falle gehen. Eher würde sie Odom, dem Bullen, glauben. Sie trat einen Schritt zurück, das Messer immer noch auf seine Brust gerichtet.
Seufzend breitete er die Hände aus. »Du willst beide Kriegsschiffe ins Meer treiben lassen. Was soll ich tun?
Ich habe keine Lust, hier ausgesetzt zu werden. Die Schiffe sind sehr wertvoll. Sie kosten ein Vermögen.«
»Das ist bedauerlich. Aber du würdest uns folgen, und das Risiko kann ich nicht eingehen.«
»Und wenn ich schwöre, dich ziehen zu lassen?« fragte er sehr leise, während er sie unverwandt anblickte.
Sie wußte nicht, was in seinem Kopf vorging. Diesen Mann, der einen Handel mit ihr abschließen wollte, kannte sie nicht. Der Rorik, den sie kannte, machte keine Tauschgeschäfte. Er erteilte Befehle, gab Anweisungen, wich keinen Fußbreit, beugte sich nichts und niemandem. Etwas stimmte nicht, und sie spürte, wie ihr Bauch sich verkrampfte. Sie trat noch einen Schritt zurück.
Über die Schulter rief sie: »Entti, komm her. Laß Hafter liegen. Er ist kampfunfähig.«
Entti warf Hafter einen letzten Blick zu und wandte sich an Mirana. Plötzlich schnellte Hafter vor, packte sie, warf sie mit dem Gesicht nach unten zu Boden, entwand ihr das Schwert und schleuderte es weit weg außer Reichweite. Sie wehrte sich verbissen, schlug wild um sich, doch vergeblich. Er war sehr groß und schwer. Er lag flach auf ihr und drückte ihr das Gesicht in den feuchten Sand.
Als Mirana sich schreiend umdrehte und Entti zu Hilfe eilte, warf Rorik sich auf sie, packte ihr Handgelenk und drehte es um, bis ihre Knochen knackten. Er war entschlossen, ihr notfalls das Handgelenk zu zerquetschen. Doch sie ließ das Messer nicht los, ihre Finger krallten sich nur fester um den Elfenbeingriff. Seine Hand drückte unerbittlich zu. Er blickte ihr ins Gesicht, in ihre Augen, die nahezu schwarz geworden waren vor Schmerz und Eigensinn.
»Du kannst nicht gewinnen, Mirana, weil ich der Stärkere bin. Das mußt du begreifen. Ich kann noch fester zudrücken und dir jeden Finger einzeln brechen. Laß das Messer fallen. Laß es fallen.«
Kapitel 13
Sie schüttelte den Kopf und biß sich auf die Zunge, um nicht zu schreien. Plötzlich riß er ihren Arm hoch und veränderte seinen Griff, zwei Finger drückten auf die Innenseite
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