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Der Herr der Habichts - Insel

Der Herr der Habichts - Insel

Titel: Der Herr der Habichts - Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Du hast zu viel Sonne erwischt, Entti.«
    »Es regnet seit Tagen, Mirana.«
    »Wenn schon. Was meinst du damit, er hätte keine andere Wahl gehabt? Du brauchst ihn nicht zu entschuldigen. Er hätte dich getötet, weil es ihm Spaß gemacht hätte, seinen Freund zu rächen. So sind die Männer eben. Sie stürzen andere Menschen ins Verderben, weil es ihnen Spaß macht.«
    Entti schüttelte den Kopf. »Nein, Rorik ist anders. Bevor du kamst, hörte ich, was in Vestfold passiert ist. Die Männer haben ohne Scheu in meinem Beisein geredet, weil sie mich für schwachsinnig hielten.«
    Mirana beugte sich aufmerksam vor. »Bitte erzähle mir davon. Rorik wollte nicht darüber sprechen.«
    Entti steckte die Nadel in den Stoff und legte das Nähzeug weg. »Dein Halbbruder überfiel Roriks Hof in Vestfold, als er und seine Leute in Birka Handel trieben. Alle Bewohner wurden getötet, Sklaven, Greise, Frauen und Kinder. Dein Halbbruder glaubte, Rorik habe einen Silberschatz bei sich versteckt. Aber ich weiß nicht, ob das stimmt. Einige Bewohner, darunter die Alte Alna, konnten sich im Wald hinter den Getreidefeldern verstecken und überlebten das Massaker. Rorik kehrte wenige Stunden nach dem Blutbad auf den Hof zurück. Seine Zwillinge, ein Sohn und eine Tochter waren ermordet, seine Frau vergewaltigt und erstochen worden.
    Kurze Zeit später zog Rorik mit den Leuten, die das Gemetzel überlebt hatten, hierher auf die Habichtsinsel. Sie bauten das Langhaus auf, rodeten den Wald, bestellten die Felder und verstärkten die Befestigungswälle. Sodann machte Rorik sich auf die Suche. Es dauerte nahezu zwei Jahre, bis er Einar ausfindig gemacht hatte. Er hörte zufällig die Lieder eines reisenden Skalden, der Einars Heldentaten an der Seite König Sitrics gegen aufständische irische Häuptlinge besang.«
    »Ich kann es nicht glauben«, meinte Mirana gedehnt, »daß Einar sich eines so grausamen Verbrechens schuldig gemacht hat. Wäre es ihm um einen verborgenen Silberschatz gegangen, hätte er wissen müssen, wer Rorik Haraldsson ist, aber er kannte seinen Namen gar nicht. Rorik gab sich auf Clontarf erst mir zu erkennen, und ich unterrichtete Gunleik davon. Aus welchem Grund sollte
    Einar sämtliche Bewohner von Roriks Gehöft so grausam umbringen? Nein, es ergibt keinen Sinn. Einar würde nicht . . .« Ihre Stimme erstarb. Sie spürte seine Gegenwart, noch bevor sie den Kopf hob und ihn ansah. Rorik stand direkt vor ihr, bleich wie der Tod, beide Hände zu Fäusten geballt.
    »Es ist wahr«, sagte er, um einen sachlichen Tonfall bemüht. »Ich könnte deinen Halbbruder aufspießen und ihn über einem Feuer braten wie ein Schwein. Er soll langsam sterben, und ich freue mich über jeden Schmerzensschrei, den er ausstößt.«
    Sie sah ihn entgeistert an. Das war keine Lüge. Vielleicht hatte die Alte Alna übertrieben. Nein. Sie verschloß sich der Wahrheit. Sie kannte Einars Wutausbrüche, obwohl er sich vor ihr und seinen Gefolgsleuten und Verbündeten um Zurückhaltung bemühte. Er lachte, wenn er die Peitsche schwang, und je lauter ein Opfer schrie, desto unbändiger lachte er. Er war unbeherrscht und furchterregend. Sie durfte die Wahrheit nicht länger verdrängen.
    Sie blickte immer noch zu Rorik auf und spürte seine innere Spannung. Sie ertrug das Schweigen nicht länger: »Was soll ich tun? Er ist mein Halbbruder.«
    Rorik setzte sich neben sie. »Ich wollte es dir bald sagen, wäre Entti mir nicht zuvorgekommen. Das ständige gegenseitige Verhöhnen und Kräftemessen zwischen uns muß ein Ende haben. Ich war entschlossen, dir die Wahrheit zu sagen, da du nur Verständnis für meine Beweggründe aufbringen kannst, wenn du über die Ereignisse unterrichtet bist. Vielleicht bleibst du hier, ohne daß ich gezwungen bin, dich anzuketten. Ich darf deine Flucht unter keinen Umständen zulassen. Du darfst nicht zu ihm zurückkehren und ihm von der Habichtsinsel berichten. Er hat großen Einfluß auf König Sitric in Dublin. Ich muß einen Weg finden, an ihn heranzukommen, und mit deiner Hilfe wird es mir gelingen.«
    Er erforschte lange ihr bleiches Gesicht: »Glaubst du mir, Mirana?«
    »Ja«, sagte sie ohne Zögern. »Ich glaube dir. Aber die Geschichte mit dem verborgenen Silberschatz glaube ich nicht. Einar ist nicht dumm. Warum aber hat er dann deine Familie und dein Gehöft überfallen? Wikinger plündern und morden nicht andere Wikinger. Er mußte wissen, daß er damit König Harald Schönhaar erzürnt. Er konnte nicht

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