Der Herr der Habichts - Insel
am Leben zu bleiben.«
»Du hast recht. Es wäre dumm von mir zu glauben, daß Rorik mit seiner Familie spricht und sie davon überzeugen kann, daß ich keine Bedrohung für sie bin und daß ich für die Verbrechen meines Bruders nicht verantwortlich bin.«
»Er ist dein Halbbruder.«
»Ja«, sagte Mirana gedehnt. »Mein Halbbruder. Aber in ihren Augen ist sein Blut mein Blut, und ich bin ebenso bösartig und mörderisch wie Einar.«
»Das ist verrückt. Wie kann Rorik nur so blind sein?«
»Rorik ist nicht blind, Mädchen. Sprich nicht so von deinem Herrn. Herr Rorik ist ein Mann, der furchtbares Leid durchgemacht hat, ein Leid, das du dir gar nicht vorstellen kannst.«
Beide Frauen fuhren erschrocken zu Hafter herum, der in der dunklen Nacht wie ein Schatten aufgetaucht war. Er stand breitbeinig da, in einen dicken Wollumhang gehüllt, und der Wind zauste an seinem dunkelblonden Haar. Mirana trat dichter zu Entti. Wenn sie nur ihr Messer hätte!
»Ja, das weiß ich«, sagte Mirana mit fester Stimme. »Doch mich trifft keine Schuld daran.«
Hafter zuckte die Achseln. »Seine Leute sind da anderer Meinung. Sie sind sehr zornig auf dich, Mirana.« Plötzlich lachte er. »Sira erschien mir stets schön wie eine Göttin. Doch mit dem Gemüse auf dem Kopf sah sie richtig menschlich aus. Du hast sie furchtbar gedemütigt. Dafür wird sie dich bis zu ihrem Tod hassen.«
»Mirana hätte ihr die Kehle aufschlitzen können. Das bißchen Bratensaft im Gesicht wird ihr nicht schaden.«
»Frauen sehen die Dinge anders. Sira trachtet dir nach dem Leben, Mirana.«
Mirana wollte die Frage nicht stellen und tat es dennoch: »Was ist mit Rorik? Was wird er tun?«
Hafter schüttelte den Kopf. »Er hält zu seiner Familie. Und die ist voller Haß.« Lächelnd wandte er sich an Entti und streckte ihr die Hand entgegen. »Ich bin hier, um dich zu holen. Du wirst mich heute nacht wärmen, und ich werde dich nehmen, bis ich von deinem weichen Fleisch gesättigt bin.«
Bevor Entti etwas sagen konnte, legte Mirana ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm: »Nein, Hafter. Kein Mann faßt Entti wieder an, wenn sie es nicht will.«
»Diesmal bereite ich ihr Vergnügen, ich schwöre es. Ich habe männliches Verlangen, das sie stillen muß. Sie wird Spaß daran haben. Sie muß tun, was ich will.«
Entti straffte die Schultern und stand stocksteif da. »Geh ins Haus zurück, Hafter, und steck deinen Kopf in den Metkrug. Ich will nichts mit dir zu tun haben. Hast du vergessen, was gestern war? Willst du mein Knie wieder in deinen Eiern spüren?«
»Du hast gesagt, es tut dir leid und du tust es nicht wieder.«
»Ja. Aber ich sagte auch, daß ich dir nichts tue, wenn du mir vom Leib bleibst. Ich will dich nicht. Geh weg.«
»Auf welchen anderen Mann hast du es abgesehen?«
Verwundert registrierte Mirana den eifersüchtigen Ton in seiner Stimme. Entti wollte loslachen, doch Mirana beeilte sich einzuwerfen: »Entti will gar keinen Mann, Hafter. Das verstehst du doch. Sie war sehr unglücklich. Du bist doch ein Mann mit Verstand, nicht wahr?«
»Ja. Aber ich will sie, Mirana. Misch dich nicht ein, das geht dich nichts an.«
»Wenn du sie zwingst, Hafter, wird sie dich töten oder dich schwer verletzen. Dafür muß sie dann sterben, und alles nur, weil sie ihre Ehre verteidigt hat. Willst du, daß sie wegen deiner Wollust stirbt?«
Hafter hatte nur noch das brennende Verlangen, mit Entti zu schlafen. Er wollte keine andere, nur sie. Er starrte Roriks Gemahlin an, eine Frau, die vermutlich bald durch die Hand eines Mitglieds seiner Familie umkommen würde. Langsam sagte er zu Entti gewandt: »Ich will nicht, daß du stirbst.«
»Was willst du dann, du Bauerntölpel?«
»Sprich nicht so mit mir, Entti. Ich bin ein Mann, und du bist eine Sklavin. Ich bin der Stärkere. Du tust, was ich von dir verlange.«
Entti schüttelte eigensinnig den Kopf. »Du bist störrisch wie ein Maulesel. Ich werde nicht deine Hure sein, Hafter. Begreif das doch endlich.«
Er machte ein unglückliches Gesicht. »Aber kein anderer Mann darf dich haben. Dafür sorge ich. Ich habe den anderen gesagt, daß du mir gehörst und sie sich von dir fernhalten sollen. Ich beschütze dich.«
Entti wandte sich an Mirana: »Es ist sinnlos, mit ihm zu reden. Alle Männer sind Einfaltspinsel, wenn die Wollust sie überfällt.« Damit drehte sie sich um und ging, sich das zerschlissene Wolltuch enger um die Schultern ziehend.
Hafter sagte: »Entti kommt in Lumpen
Weitere Kostenlose Bücher