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Der Herr der Habichts - Insel

Der Herr der Habichts - Insel

Titel: Der Herr der Habichts - Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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schnappen.
    Es geschah so schnell, daß sie keine Chance hatte, sich zu wehren, zu schreien oder zu begreifen, wer ihr Angreifer war. Eben noch stand sie am Rand der Klippe und blickte auf das mondhelle Meer hinaus, atmete die frische Nachtbrise ein, und im nächsten Augenblick hielt ihr eine Hand den Mund zu, die Arme wurden ihr nach hinten gerissen und blitzschnell gefesselt. Sie biß in die Hand, hörte einen Mann fluchen, spürte einen stechenden Schmerz an der linken Schläfe, und dann hüllte sie tiefe Finsternis ein. Die Stimme kam ihr irgendwie bekannt vor. Sie versuchte das nicht zu vergessen, bevor das Dunkel sie umfing.
    Als sie aufwachte, wußte sie, daß sie sich in einem Langboot befand. Sie lag still, um sich an das Schaukeln zu gewöhnen. Sie hörte den Rhythmus der Ruder, die gleichmäßig ins Wasser tauchten, hochgezogen wurden und schnell wieder eintauchten. Ihr Kopf schmerzte. Ihre Angst schwand. Sie hörte die Stimmen von vier Männern, die sie alle kannte. Alle waren aufgeregt und erfreut, keine klang wütend.
    Es war Gunleiks Stimme, die rief: »Bei Allvater Odin, du hast sie zu fest getroffen, Ivar! Sie ist immer noch bewußtlos. Du solltest sie mir bringen. Und du hast sie niedergeschlagen.«
    »Ich mußte es tun, Gunleik«, verteidigte sich Ivar schuldbewußt. »Ich habe das Langhaus beobachtet, wie du mir aufgetragen hast, und als ich Mirana sah, wußte ich, daß dies der richtige Augenblick war, um sie zu holen, ohne dabei zu riskieren, uns alle in Gefahr zu bringen. Vergiß nicht, was die andere Frau uns gesagt hat: Alle sind froh, wenn sie verschwindet, Rorik Haraldsson haßt sie und wünscht ihr den Tod, irgend jemand hat bereits versucht, sie zu vergiften. Sie stand allein an der Klippe. Also nutzte ich die Gelegenheit. Ich mußte sie bewußtlos schlagen, sonst hätte sie geschrien. Wenn sie aufwacht, redest du mit ihr, und sie wird einsehen, daß ich nur getan habe, was nötig war.«
    »Du hast sie niedergeschlagen«, sagte Gunleik wieder und fluchte.
    Mirana öffnete die Augen und sah, wie seine Finger durch sein festes, graues Haar fuhren.
    »Mir geht es gut, Gunleik.«
    »Mirana?« Er beugte sich über sie und streichelte ihren Arm und ihre Hand. Seine schwieligen Fingerkuppen berührten ihre Wangen. »Den Göttern sei Dank, daß du wach bist. Wir haben dich befreit. Du bist wieder bei deinen Leuten. Hab keine Angst. Ich hab dich wieder, meine Kleine. Jetzt ist alles gut.« Er zog sie auf die Bank neben sich. Das Boot legte sich zur Seite, und einer der Männer fluchte. Es war Edmund, und sie wünschte, er wäre nicht unter ihren Rettern. Er gehörte zu Einars Günstlingen und war ein heimtückischer Mensch, der Sklaven und Frauen schlecht behandelte; sie konnte ihn nicht leiden.
    »Gunleik«, sagte sie. »Hör mir zu. Was Ivar sagte, stimmt nur zum Teil. Wen meinte er mit — die andere Frau?«
    »Das Mädchen mit dem silberblonden Haar, das sogar mich in Erstaunen versetzte. Ihr Name ist . . .«
    »Ich weiß, wer sie ist.« Mirana drehte sich um und erblickte Sira, die neben Ingolf saß, der auch ein Günstling ihres Halbbruders war. Er blinzelte ständig unter seinen buschigen, schwarzen Augenbrauen. Sira, deren silberblondes Haar im hellen Mondschein schimmerte, war schön wie eh und je. Sie schenkte Mirana kein sehr freundliches Lächeln.
    »Alle machten sich Sorgen um dich«, sagte Mirana. »Sie haben nach dir gesucht. Man glaubte schon, du seist aus
    Gewissensbissen selbst in den Tod gegangen. Tora ist durch dein Verschwinden völlig aufgewühlt.«
    »Das tut mir leid. Tora hat mich wirklich gern und war immer gut zu mir. Aber das ist jetzt vorbei. Für uns beide beginnt ein neues Leben. Freust du dich? Ich bin am Leben, und du bist es auch. Diese tapferen Krieger haben dich vor dem sicheren Tod gerettet. Ja, wir können glücklich sein.«
    Ivar wandte sich an Mirana, eifrig und beschwichtigend, um Gunleik davon zu überzeugen, daß er richtig gehandelt habe: »Sira ging spazieren, nicht anders als du, Mirana. Ingolf holte sie gestern abend, und sie erzählte uns, wie schlecht man dich dort behandelt hat.« Seine junge Stimme wurde laut vor Zorn über das, was ihr angetan worden war. Er und Mirana waren, seit sie als Kind nach Clontarf gekommen war, Spielgefährten. »Wir werden heimkehren, Mirana, und wir werden Vergeltung üben.«
    »Ja«, stimmte Ingolf ihm zu. »Dieser Rorik, der sich Herr der Habichtsinsel nennt, ist nichts als ein Dummkopf, ein hochnäsiger,

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