Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
Vom Netzwerk:
jedenfalls. Deshalb überflogen wir ja auch die Ruinen. Das Luftschiff bietet die einzige Möglichkeit, dorthin zu gelangen. Major Powell ist so etwas wie ein Amateurarchäologe. Er hat die Genehmigung erhalten, dieses Gebiet zu erkunden, um Teku Benga eines Tages zu erforschen. Er weiß mehr über die untergegangenen Kulturen des Himalaya als irgend jemand auf der Welt. Er ist ein richtiger Gelehrter, unser Major Powell.«
    »Die Kumbalari würde ich kaum als untergegangene Kultur bezeichnen«, sagte ich. »Nicht im strengen Sinne. Das Erdbeben hat sich doch höchstens vor zwei Jahren zugetragen. Das war der Zeitpunkt, als ich dort ankam.«
    »Vor zwei Jahren? Sie haben sich zwei Jahre an diesem gottverlassenen Flecken aufgehalten? Sie armer Bursche. Dafür sind Sie aber bemerkenswert fit, würde ich sagen.« Plötzlich runzelte er die Stirn. »Ein Erdbeben. Ich habe von keinem Erdbeben in Teku Benga gehört. Meinen Sie…«
    »In unserer Generation hat es kein Erdbeben in Teku Benga gegeben.« Es war die scharfe, klare Stimme von Major Powell, der eingetreten war, während wir uns unterhielten. Er betrachtete mich mit einer gewissen vorsichtigen Neugier. »Und ich bezweifle sehr, daß jemand dort zwei Jahre lang überleben könnte. Zum einen gibt es dort nichts Eßbares. Andrerseits gibt es keine andere Erklärung, wie Sie dorthin gelangt sein könnten, als mit einer privaten Expedition, die vor zwei Jahren dahin geflogen sein soll.«
    Nun mußte ich lächeln. »Das ist recht unwahrscheinlich, Sir. Vor zwei Jahren existierte noch kein solches Schiff. Vielmehr ist es verwunderlich, wie…«
    »Ich denke, Sie sollten ihn besser hier untersuchen«, meinte Powell und tippte mit dem Stöckchen an seinen Kopf. »Der arme Teufel hat alles Zeitgefühl verloren - oder so etwas Ähnliches.«
    »Wann brachen Sie denn nach Teku Benga auf, Hauptmann Bestable?«
    »Am 25. Juni, Sir.«
    »Hm. In welchem Jahr?«
    »Nun, 1902, Sir.«
    Der Doktor und der Major warfen sich einen fassungslosen Blick zu.
    »Na schön, in jenem Jahr ereignete sich das Erdbeben«, erklärte Major Powell. »1902. Fast alle kamen ums Leben. Und es waren tatsächlich ein paar englische Soldaten darunter… Lieber Gott, das ist doch einfach lächerlich!« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder mir zu. »Sie befinden sich in einem ernsten Zustand, junger Mann. Ich würde es nicht Gedächtnisverlust nennen - es ist eher eine Art falsches Gedächtnis, Ihr Kopf spielt Ihnen Streiche, wie? Vielleicht haben Sie wie ich viel historische Bücher gelesen? Vielleicht sind Sie ebenfalls Amateurarchäologe? Nun, ich nehme an, wir können Sie bald heilen und erfahren, was wirklich geschehen ist.«
    »Was ist an meiner Geschichte denn so seltsam, Major?«
    »Nun, zum einen, mein Bester, sind Sie ein wenig zu gut erhalten, um im Jahre 1902 die Reise nach Teku Benga angetreten zu haben. Das liegt nämlich über siebzig Jahre zurück. Wir haben den 15. Juli. Und zwar, wie ich Ihnen leider mitteilen muß, des Jahres 1973, natürlich nach Christi Geburt. Sagt Ihnen das etwas?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Major. Aber in einem Punkt gehe ich mit Ihnen konform. Ich bin offensichtlich völlig wahnsinnig.«
    »Hoffen wir, daß es nicht von Dauer sein wird«, sagte der Doktor lächelnd. »Wahrscheinlich haben Sie ein bißchen zuviel H. G. Wells gelesen, was?«
    5 Mein erster Blick auf Utopia
    Offensichtlich aus einem unangebrachten Sinn für Rücksichtnahme heraus ließen der Doktor und Major Powell mich allein. Ich hatte eine Spritze mit einer Art Droge bekommen, die mich zwar benommen machte, einschlafen konnte ich jedoch nicht. Ich war inzwischen absolut überzeugt, daß irgendeine Kraft in den Katakomben des Tempels des Kommenden Buddha mich durch die Zeit geschleudert hatte. Ich wußte , daß es stimmte. Ich wußte , daß ich nicht verrückt war. Wäre ich tatsächlich verrückt gewesen, so hätte es wenig Sinn gehabt, einen so detaillierten und schlüssigen Wahn zu bekämpfen - genauso gut konnte ich ihn akzeptieren. Doch nun wollte ich weitere Informationen über die Welt, in die ich hineingeworfen worden war. Ich wollte die bestehenden Möglichkeiten mit dem Doktor und dem Major besprechen. Ich wollte erfahren, ob es Beweise gab, daß etwas Derartiges bereits vorgekommen war - irgendwelche unerklärlichen Berichte von Menschen, die behaupteten, aus einer anderen Zeit zu stammen. Doch dieser Gedanke bedrückte mich. Zweifellos gab es solche Berichte. Und ebenso

Weitere Kostenlose Bücher