Der Herr der Lüfte
Brücke auftauchte. »Es sieht ihm nicht ähnlich, so lange fortzubleiben«, sagte ich.
Weitere fünf Minuten verstrichen, dann hieß der Dritte Offizier einen Matrosen, in der Kabine des Kapitäns nachzusehen, ob mit ihm alles in Ordnung war.
Kurz darauf kam der Matrose zurückgelaufen, totale Fassungslosigkeit stand in seinem Gesicht. »Der Kapitän, Sir. Droben in der Fallschirmkammer - verletzt, Sir. Der Doktor ist schon unterwegs.«
»In der Fallschirmkammer? Was kann er denn da oben gewollt haben?« Da es keinem der anderen Offiziere möglich war, seinen Platz auf der Brücke zu verlassen, folgte ich dem Matrosen über den schmalen Gang und die kurze Niedergangstreppe hinauf zu den Offiziersquartieren. Wir kamen an der Kabine des Kapitäns vorüber und gelangten an eine zweite kurze Leiter, die zu der Gangway zwischen den Spinden führte, wo die Lebensrettungsausrüstungen gelagert waren. Das Licht war hier düster, doch ich erkannte den Kapitän, der mit schmerzverzerrtem Gesicht am Fuße der Leiter lag. Ich kniete mich neben ihm zu Boden.
»Bin die verdammte Leiter heruntergefallen.« Das Sprechen fiel dem Kapitän sichtlich schwer. »Ich glaube, ich habe das Bein gebrochen.« Das Schiff bebte, als ein weiterer kräftiger Windstoß es beutelte. »Dieser verfluchte Reagan - habe ihn entdeckt, als er versuchte, die Fallschirmspinde zu öffnen. Bin hochgeklettert, um ihn runterzuholen. Hat mich zurückgestoßen… ah!«
»Wo ist Reagan jetzt, Sir?«
»Weggelaufen. Hat es vermutlich mit der Angst bekommen.«
Der Arzt kam und besah sich das Bein. »Ich fürchte, eine Fraktur. Da werden Sie wohl eine ganze Weile an Land gehen müssen, Kapitän.«
Ich sah den Blick in den Augen des Kapitäns, als er die Worte des Doktors hörte. Es war die nackte Furcht. Denn wenn er jetzt lange unten bleiben mußte, dann würde er auch nicht wieder in den Dienst zurückkehren können. Er hatte das Pensionsalter ohnehin schon überschritten. Pfadfinderführer Reagan hatte Hardings Fliegerkarriere erfolgreich beendet - und damit sein Leben. Wäre ich in diesem Augenblick in Reagans Nähe gewesen, ich glaube, ich hätte ihn umgebracht!
Schließlich legte sich der Sturm, und innerhalb einer halben Stunde manövrierten wir das Schiff in den Anlegekegel am Aeroparkmast. Der Himmel war völlig klar, die Sonne schien, und Tahiti sah so wundervoll aus wie immer. Abgesehen von einigen Sturmschäden an ein paar Bauten und einigen umgestürzten Bäumen ließ nichts erkennen, daß hier gerade ein Taifun gewütet hatte.
Später sah ich zu, wie die Sanitäter die Bahre mit dem Kapitän anhoben und zum Mast trugen. Ich beobachtete, wie der Fahrstuhl den Kapitän zur Erde hinuntertrug, wo ein Krankenwagen auf ihn wartete.
Mir war jämmerlich zumute. Und ich war fest davon überzeugt, daß ich den Kapitän niemals wiedersehen würde. Lieber Gott, wie sehr haßte ich diesen Reagan für das, was er getan hatte! Niemals in meinem Leben habe ich jemanden so sehr gehaßt. Harding war einer der wenigen Menschen in der Welt der Zukunft, zu denen ich eine echte Beziehung entwickelt hatte - vielleicht weil Harding ein alter Mann war und deshalb mehr meiner Welt als seiner eigenen angehörte - und nun war er fort. Ich fühlte mich schrecklich einsam, kann ich Ihnen sagen. Ich beschloß, nun ein besonderes wachsames Auge auf »Hauptmann« Reagan zu haben.
Tonga tauchte auf und verschwand, und plötzlich waren wir auf Kurs nach Sydney mit einer Geschwindigkeit von 120 Meilen in einem Gegenwind, der im Vergleich zu dem Taifun, den wir erst erlebt hatten, nicht mehr war als eine sanfte Brise.
Seit unserer Ankunft in Tahiti verließen Reagan und seine Pfadfinder die Kabinen nur noch, um die Mahlzeiten hinter ihren albernen Wandschirmen einzunehmen.
Zumindest schien ihm seine eigene Dummheit bange gemacht zu haben, und er wußte, daß er in bezug auf die Angelegenheit mit den Fallschirmschränken gut davongekommen war. Als wir uns einmal auf dem Korridor begegneten, senkte er den Blick und sprach kein Wort, während wir aneinander vorübergingen.
Doch dann kam der Zwischenfall, der zu den Katastrophen in den kommenden Monaten führte.
Am letzten Abend vor unserer Ankunft in Sydney erreichte ein Anruf aus dem Speisesaal der dritten Klasse die Brücke. Es gab irgendwelche Schwierigkeiten. Es war meine Aufgabe, mich darum zu kümmern.
Widerwillig verließ ich die Brücke und machte mich auf den Weg zum Speisesaal. In der Ecke neben der Tür zur
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