Der Herr der Lüfte
Luftschiffe, wie die Hangars, wo die »Hornissen« lagen. Manchmal konnte ich beobachten, wie die Fei-chi von ihren großgewachsenen chinesischen Piloten getestet wurden - kräftige, zuversichtliche, junge Männer, die sich Shaws Sache völlig verschrieben hatten und die fliegenden Maschinen schwerer als Luft einfach hinnehmen konnten, was mir niemals gelang.
Schon frühzeitig überzeugte ich mich, daß die Geiseln aus der Loch Etive gesund und munter waren, schwatzte mit ein paar Burschen, die ich an Bord kennengelernt hatte, und erfuhr auf diese Weise, daß Kapitän Harding tatsächlich kurze Zeit, nachdem man ihn in jenes kleine Haus in Balham geschickt hatte, in dem er seine Landurlaube zu verbringen pflegte, gestorben war. Eine weitere Bekanntschaft war ebenfalls gestorben. In einer alten Zeitung las ich, daß Cornelius Dempsey bei einer Straßenschlacht mit bewaffneten Polizisten erschossen worden war. Dempsey hatte zu einem Anarchistenring gehört, den man in einem Haus im Osten Londons ausgehoben hatte. Bislang war seine Leiche nicht gefunden worden, aber mehrere Zeugen bestätigten, daß er tot gewesen war, als seine Freunde ihn forttrugen. Ich spürte, wie Trauer mich überwältigte und jene bittere, niedergedrückte Stimmung verstärkte, die mich beim Betrachten dieser schrecklichen kinematographischen Aufnahmen befallen hatte.
Neuere, von Shaws Leuten besorgte Zeitungen waren voll von Berichten über Shuo Ho Tis gewagte Überfälle und seine Raubzüge und Morde. Ein paar der Zeitungen sahen ihn als »den ersten modernen Banditen«, und sie waren es meiner Meinung nach auch, die ihm den Titel »Herr der Lüfte« verliehen. Und während England russische und japanische Militärluftschiffe davon abhielt, unverzüglich Rache zu nehmen und die chinesische Zentralregierung vergeblich versuchte, Kriegsluftschiffe von ihrem Hoheitsgebiet fernzuhalten, verwirklichte Shaw eine Reihe erstaunlicher Raubzüge, indem er vom Himmel aus Züge, Motorkonvois, Schiffe, militärische und wissenschaftliche Einrichtungen angriff, um sich alles Notwendige zu beschaffen. Was er nicht benötigte, verteilte er an die chinesische Bevölkerung - dazu erschien sein umgespritztes »Flaggschiff«, nicht mehr Loch Etive sondern Shan-tien (Blitz) mit der bekannten scharlachroten Beflaggung am Himmel über einem verarmten Dorf und warf Geld, Waren und Lebensmittel ab - und Flugblätter, auf welchen die Menschen aufgefordert wurden, sich Shuo Ho Ti, dem Friedensbringer, zur Befreiung Chinas aus der Fremdherrschaft anzuschließen. Tausende kamen, um die Reihen seiner Armee am Ende des Tales der Morgendämmerung zu vergrößern. Und Shaw fügte seiner Flotte neue Schiffe hinzu, zwang mit Waffengewalt Handelsschiffe zur Landung, ließ Mannschaft und Passagiere frei und flog das Schiff zurück zur Stadt des Sonnenaufgangs, wo er es mit seinen neuen Kanonen ausrüstete. Das einzige Problem bestand darin, daß es unter seinen Anhängern zu wenige gab, die ausgebildet waren. Schiffe zu fliegen. Unerfahrene Flieger hatten ihre Schiffe mehr als einmal in Gefahr gebracht, und zwei waren durch Unfähigkeit eingebüßt worden. Zweimal macht Shaw den Vorschlag, daß ich sein Verbündeter werden und ein Schiff meiner Wahl fliegen sollte; doch der einzige Grund, aus dem ich an Bord eines Luftschiffes ginge, so hatte ich mir geschworen, wäre, um die Flucht zu versuchen, aber ich wollte mich nicht in die Piraterie verwickeln lassen, nur um meine Freiheit wiederzuerlangen.
Immer wieder erzählte mir Shaw in vielen Gesprächen von seiner Vergangenheit, weil er fest daran glaubte, mich doch noch gewinnen zu können.
Seine Geschichte war interessant. Er war der Sohn eines englischen Missionars und seiner chinesischen Ehefrau gewesen, die jahrelang in einem abgelegenen Dorf der Provinz Shantung gearbeitet hatten, bis ein Räuberhauptmann - ein »traditioneller Bandit«, wie Shaw sagte - auf ihren Teil der Welt aufmerksam wurde. Der »Kriegsherr« Lao-Shu hatte seinen Vater getötet und seine Mutter als Mätresse genommen. Er war als eines von Lao-Shus vielen, Kindern großgezogen worden und lief schließlich davon nach Peking, wo der Bruder seines Vaters als Lehrer tätig war. Er war nach England zur Schule geschickt worden, wo er sehr unglücklich war und den seiner Ansicht nach typisch englischen Hochmut gegenüber anderen Rassen, Klassen und Religionen hassen lernte. Später ging er nach Oxford, wo er mit gutem Erfolg studierte und allmählich
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