Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
Blick war ungewohnt hart. »Ihr braucht keine Angst zu haben, Havald Bey«, sprach sie formell. »Ich werfe mich schon nicht vor Eure Füße, Ihr braucht nicht zu befürchten, dass Ihr über mich stolpert.« Sie ging zur Tür, blieb dort kurz stehen, bedachte uns beide mit einem vernichtenden Blick und zog ganz langsam die Tür hinter sich zu.
Armin ging zur Tür und öffnete sie wieder, aber es war niemand da.
»Ist dieses Haus hellhörig?«, fragte er in der Art eines Mannes, der nur schlechte Nachrichten erwartete.
»Nicht dass ich wüsste. Ich denke, sie haben allesamt gute Ohren. Zudem gibt es da noch Zokoras Einfluss …«
Er sah mich mit traurigen Augen an und kam wie ein geprügelter Hund zum Tisch zurückgeschlichen. Ich musste mir ein Lächeln verbeißen. Imra und er hatten viel gemeinsam.
Armin seufzte theatralisch. »Es sind doch die Männer, denen die Götter die Welt in die Hände gaben, oder? Sie machten ihnen Frau und Tier untertan, auf dass sie die Weltenscheibe regieren. So steht es doch geschrieben, oder nicht?«
Ich sagte nichts, denn er war noch nicht fertig.
»Wir sind stärker als sie. Weiser, klüger, und die Götter haben uns über sie gesetzt, auf dass sie uns gehorchen. So steht es in den Büchern. Ich habe die Passagen selbst gelesen. Es steht wirklich so darin. Sagt mir, Esseri, wie kommt es dann, dass ich mich gerade fühle wie ein Ochse, der an seinem Nasenring gezogen wird? Helis hat stets zu mir aufgesehen, ich war ihr großer Bruder, der immer alles für sie richtete. Habe ich nicht meinen Schwur gehalten? Habe ich sie nicht befreit aus den Klauen dieses Verfluchten? Habe ich mich nicht um sie gekümmert?« Er sah mich flehend an. »Was habe ich falsch gemacht?«
Ich seufzte. »Nichts, Armin. Du hast all das getan, und das war auch gut. Aber es ist nicht Helis, die zurückkam, sondern Serafine. Und obwohl sie, wie sie sagt, über die Erinnerungen deiner Schwester verfügt, mag sie die Dinge anders sehen. Sie war drei Dutzend und zwei Jahre alt, als sie in dieser Eishölle starb. Sie trifft ihre eigenen Entscheidungen.«
»Solange sie unverheiratet ist, bin ich noch immer das Oberhaupt der Familie.«
Ich schloss die Augen und massierte meine Schläfen. In meinem Kopf dröhnte es. »Manchmal irren auch die Götter. Ich habe meine Zweifel, ob es reicht, wenn man den Frauen sagt, dass sie zu gehorchen haben. Sie könnten auf die Idee kommen, zu fragen, warum sie das tun sollten.« Ich machte eine kurze Pause. »Bist du dir sicher, dass du größer, weiser und schlauer bist als Serafine? Oder Leandra? Oder Faihlyd? Was, wenn sie sich alle drei gegen dich zusammentun würden, wie sähe es dann aus?«
Er ließ den Kopf in seine Hände sinken. »Bedenklich, Esseri, sehr bedenklich.« Er sah mich durch die Finger mit einem Auge an. »Darf ich Euch fragen, was Ihr getan habt, dass Helis Euch so böse angesehen hat?«
»Nichts.«
»Aber wieso …?«
»Wenn ich das weiß, werde ich es dir sagen.« Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück. »War das der einzige Grund, aus dem du gekommen bist?«
Er schüttelte den Kopf und richtete sich auf. »Nein, Esseri. Ich werde für heute wieder Euer Diener sein und Euren Großmut preisen, dass Ihr mir meine Torheit so leicht verzeiht. Zudem bringe ich Nachricht von meiner Löwin. Sie lässt ausrichten, dass gestern Nacht kein geeigneter Zeitpunkt für ihren Dank gewesen sei, er aber gewiss nicht in Vergessenheit gerate.«
Ich dachte an den Greifenritt zurück, und bei der Erinnerung allein wurden mir die Beine fast taub. »Ich bin froh, dass Marinae endlich wohlbehalten in den Kreis ihrer Familie gelangt ist.«
Er sah mich verlegen an.
»Was ist noch?«, fragte ich misstrauisch.
»Sie wird morgen im Tempel des Boron Anklage erheben. Sie wusste nicht genau, wer Ihr seid, obwohl Ihr sie schon zweimal befreit habt. Jetzt weiß sie es. Sie neigt dazu, zu fordern, aber Euch bittet sie höflich, ob Ihr nicht zugegen sein könnt, wenn sie vor den Gott der Gerechtigkeit tritt. Sie bat auch die Maestra, Helis und Natalyia hinzu.«
»Und?«
»Die Essera Falah bittet Euch, die Maestra und meine Schwester zum Tee. Wenn Ihr einen Boten schickt, wird sie sich, was den Zeitpunkt betrifft, nach Euch richten. Das tut sie sonst für niemanden«, erklärte Armin.
Ich unterdrückte einen Seufzer. Die Essera Falah hütete ein Buch mit Prophezeiungen und war fest davon überzeugt, dass etwas über mich darinstand. Ich war sicher, dass dieses Buch der
Weitere Kostenlose Bücher