Der Herr der Puppen: Das Geheimnis von Askir 4 (German Edition)
eines weiß ich genau. Er ließ das Alte Reich nicht wehrlos zurück, als er ging. Außerdem muss er einen wichtigen Grund gehabt haben.«
»Hast du eine Ahnung, was dieser Grund war?«, fragte ich sie.
»Woher soll ich das wissen? Als ich mit der Legion ausrückte, war er noch der Herrscher von Askir. Ich sah ihn kurz vorher, er war der Ehrengast bei meiner Verlobung.« Ihr Lächeln trübte sich, sie wirkte auf einmal traurig. »Die Perlen … Während der Feier erschuf er sie aus dem Nichts, auf seiner offenen Hand. Sie erschienen dort, und er überreichte sie uns mit einem Lächeln. Ich kann mich erinnern, dass er glücklich aussah. Mein Vater sagte, dass unser Herrscher nach all den Jahrhunderten das gefunden habe, was ihm fehlte, die Liebe und das Herz einer Frau, die ihm ebenbürtig war.« Sie lachte leise. »Vielleicht ist das der Grund. Er fand eine Frau und setzte sich zur Ruhe.«
»Eine Frau, die ihm ebenbürtig war?«, wiederholte Leandra neugierig. Das schien sie neugieriger zu machen als alles andere.
Serafine lachte. »Mein Vater sagte es ganz nebenbei.« Ihre Augen funkelten amüsiert. »Ihr könnt euch denken, dass auch ich mehr wissen wollte. Aber mein Vater lächelte nur und verriet nichts weiter.«
»Er war nie verheiratet?«, wollte Leandra wissen.
Serafine schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber ich glaube, er war es einmal. Vor der Zeit des Imperiums, als er nur über drei der sieben Reiche gebot. Sie wurde ermordet. Danach …« Sie schüttelte den Kopf. »Mein Vater sagte, Askannon habe Angst vor der Liebe, weil sie das Einzige sei, das ihn besiegen könne.«
Ich sah Serafine lange nachdenklich an. »Wisst ihr, was mir auffällt?«, sagte ich dann. »Natalyia beschrieb uns Kolaron und seine Macht. Du sprichst von Askannon nicht als Herrscher eines Reichs, sondern als einem Menschen. Du hast ihn gemocht.«
»Die meisten haben ihn gemocht. Er war geradlinig. Sein Wort war Gesetz, auch für ihn selbst«, verkündete Serafine. »Er war verlässlich. Eine Konstante. Wie die Sterne und die Götter. Er war immer da und würde immer bleiben. Wir sahen ihn als unseren Beschützer, vielleicht wie einen Vater. Ich glaube zudem wirklich, dass er gerecht war. Die Menschen schätzen das an einem Herrscher.«
Damit, dachte ich, hatte sie nicht unrecht. Die Menschen, die ich selbst am meisten bewunderte, waren gerecht.
Serafine stand auf. »Es wird Zeit für mich, schlafen zu gehen.« Sie beugte sich zu Leandra hinüber. »Natalyia sieht die Welt aus ihren Augen, ich sehe sie aus meinen. Ich kannte das Alte Reich, ich kannte die Macht des Imperiums. Eines weiß ich. Wenn Ihr es schafft, die sieben Reiche zu verbünden, sie dazu zu bringen, sich Thalak im Feld zu stellen, wird Thalak unterliegen.« Sie legte Leandra beruhigend die Hand auf die Schulter. »Das ist so. Mein Wort darauf. Gegen Askir kann Thalak nicht bestehen.«
»Ja, wenn ich die Reiche überzeugen kann«, antwortete Leandra und seufzte. »Manchmal habe ich das Gefühl, dass es alles sinnlos ist. Wie sollen wir sieben gekrönte Häupter überzeugen?«
Serafine lachte. »Euch wird schon etwas einfallen. Aber ich kann Euch etwas sagen, das auch Jerbil immer wieder sagte: Die Niederlage findet in den Köpfen des Gegners statt. Wenn Ihr zweifelt, lasst Ihr den Gegner ohne Widerstand gewinnen.« Sie grinste breit. »Es ist besser, wenn der Gegner zweifelt.«
6. Bürden
Das Hämmern an der Zimmertür weckte mich. Erneut. Ich fluchte leise, blies Leandras Haar aus meinem Gesicht, schob sanft einen schlanken Arm von meiner Brust und rollte mich aus dem Bett. Leandra murmelte protestierend und drehte sich zur Seite, die dünne Decke verrutschte und enthüllte mir einen bezaubernden Anblick. Ich seufzte, deckte sie wieder zu und begab mich zur Tür. Ein Blick hinaus auf den Innenhof zeigte mir, warum ich noch so müde war, denn es konnte kaum später als die ersten Morgenstunden sein. Ich wickelte mir meine Decke um die Hüften und öffnete die Tür.
Es war, wie nicht anders zu erwarten, Natalyia.
»Ich hoffe, es ist etwas Wichtiges«, knurrte ich. »Sonst, bei den Göttern, fühle ich mich geneigt, gereizt zu sein!«
»Dann danke ich den Göttern, Euch bei so sonnigem Gemüt vorzufinden.« Natalyia lächelte. Sie musterte ausgiebig meine Brust. »Bei irgendeiner Gelegenheit könnt Ihr mir mal erzählen, wo Ihr diese ganzen Narben her habt.«
»Hast du mich geweckt, um alte Geschichten zu hören?«, fragte
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