Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Gefühl bei mir. Nicht alles, was Gold ist, glänzt, nicht jeder, der wandert, geht verlorn.«
»Geht es in diesen Versen denn um dich?«, fragte Frodo. »Ich hatte nicht begriffen, wovon darin die Rede war. Aber woher wusstest du, dass sie in Gandalfs Brief stehen, wenn du den nie gesehen hast?«
»Das wusste ich nicht«, antwortete er. »Aber ich bin Aragorn, und die Verse gehören zu meinem Namen.« Er zog sein Schwert aus der Scheide, und nun sahen sie, dass die Klinge wirklich einen Fuß unterm Heft abgebrochen war. »Nicht viel damit anzufangen, nicht wahr, Sam?«, sagte er. »Aber die Zeit ist nah, wo es neu geschmiedet wird.«
Sam sagte nichts.
»Nun«, sagte Streicher, »wenn Sam einverstanden ist, können wir die Sache als abgemacht ansehen. Streicher wird euch führen. Morgen haben wir ein hartes Stück Weges vor uns. Selbst wenn wir aus Bree ungehindert hinauskommen, unbemerkt wird es kaum bleiben. Aber dann werde ich zusehen, dass wir so schnell wie möglich verschwinden. Ich kenne außer der Hauptstraße noch ein paar andere Wege, die aus dem Breeland hinausführen. Wenn wir die Verfolger einmal abgeschüttelt haben, halten wir auf die Wetterspitze zu.«
»Wetterspitze?«, sagte Sam. »Was ist das?«
»Ein Berg, gleich nördlich der Straße, etwa auf halbem Weg zwischen Bree und Bruchtal. Von dort hat man eine weite Aussicht nach allen Seiten, und wir können uns umsehen. Gandalf wird auch dorthin kommen, wenn er uns folgt. Hinter der Wetterspitze wird unsere Fahrt schwieriger, und wir werden uns zwischen mehreren Gefahren entscheiden müssen.«
»Wann hast du Gandalf zuletzt gesehen?«, fragte Frodo. »Weißt du, wo er ist und was er gerade tut?«
Streicher sah besorgt aus. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich bin im Frühjahr mit ihm nach Westen gekommen. In den letzten Jahren habe ich oft an den Grenzen des Auenlands Wache gehalten, wenn er anderswo zu tun hatte. Er hat euer Land selten unbewacht gelassen. Zuletzt trafen wir uns am ersten Mai bei der Sarnfurt am unteren Brandywein. Er hat mir erzählt, dass mit dir alles besprochen sei und dass du dich in der letzten Septemberwoche nach Bruchtal aufmachen würdest. Soviel ich wusste, war er bei dir; darum ging ich meinerseits anderswohin auf Fahrt. Und das war nicht gut, wie sich herausstellte, denn offenbar hat er dann irgendeine Nachricht bekommen, und ich war nicht da, um ihm zu helfen.
Ich bin unruhig, zum ersten Mal, seit ich ihn kenne. Er hätte Nachricht geben müssen, wenn er selbst nicht kommen kann. Alsich zurückkehrte, vor vielen Tagen schon, hörte ich Schlimmes. Weit und breit sprach man davon, dass Gandalf vermisst werde und dass die Reiter gesehen worden seien. Das erfuhr ich von Gildors Elbenvolk; und später berichteten mir die Elben auch, dass ihr aus Beutelsend fortgegangen seid; aber dass ihr Bockland verlassen hattet, davon erfuhr ich nichts. Ich habe die Oststraße genau beobachtet.«
»Ob die Schwarzen Reiter etwas damit zu tun haben – mit Gandalfs Ausbleiben, meine ich?«, fragte Frodo.
»Ich wüsste nicht, was ihn sonst abgehalten haben könnte, wenn nicht der Feind selbst«, sagte Streicher. »Aber gebt die Hoffnung nicht auf! Gandalf ist ein Größerer, als ihr Auenländer ahnt – ihr kennt ja in der Regel nur seine Späße und Feuerwerke. Aber unsere Sache jetzt wird seine schwierigste Aufgabe sein.«
Pippin gähnte. »Entschuldigt«, sagte er, »aber ich bin todmüde. Egal, in was für Gefahren und Sorgen wir stecken, ich muss jetzt zu Bett gehn, oder ich schlafe hier ein, wo ich sitze. Wo bleibt nur dieser dämliche Merry? Das hätte gerad noch gefehlt, dass wir jetzt im Dunkeln raus müssten und ihn suchen!«
Im gleichen Augenblick hörten sie eine Tür zuknallen; dann kamen Schritte über den Flur gerannt. Merry stürzte herein, gefolgt von Nob. Hastig machte er die Tür zu und lehnte sich dagegen. Er war außer Atem. Erschrocken starrten sie ihn einen Moment an, dann keuchte er: »Ich hab sie gesehn, Frodo! Ich hab sie gesehn! Schwarze Reiter!«
»Schwarze Reiter, wo?«, rief Frodo.
»Hier. Im Dorf. Ich bin noch eine Stunde im Haus geblieben. Dann, als ihr nicht wiederkamt, ging ich ein bisschen vor die Tür. Ich war schon wieder zurück und stand noch draußen, grad außerhalb des Laternenscheins, um nach den Sternen zu sehn. Auf einmal läuft mir’s kalt über den Rücken und ich spüre, wie etwas Entsetzliches heranschleicht, eine Art dichterer Schatten zwischen den Schatten auf der andern
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