Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
Geschrei und Getrappel rennenderFüße. Doch die Schwarzen Reiter ritten wie ein Sturmwind zum Nordtor. Sollten die kleinen Leute nur blasen, so viel sie wollten! Die würde Sauron sich später noch vornehmen. Einstweilen hatten sie Wichtigeres zu tun: Sie wussten nun, dass das Haus leer und der Ring fort war. Sie ritten die Wachen am Tor nieder und verschwanden aus dem Auenland.
Früh in der Nacht erwachte Frodo plötzlich aus tiefem Schlaf, als hätte ein Laut oder eine Erscheinung ihn aufgeschreckt. Er sah, dass Streicher in seinem Sessel saß: Seine Augen schimmerten im Schein des Feuers, das er unterhielt und das hell brannte; er war wach, verriet es aber durch kein Zeichen und keine Bewegung.
Bald war Frodo wieder eingeschlafen, doch wieder wurden seine Träume beunruhigt, diesmal durch Windesbrausen und Pferdehufe in donnerndem Galopp. Der Wind schien das Haus zu umschlingen und daran zu rütteln, und von fern kamen heftige Hornstöße. Er machte die Augen auf und hörte einen Hahn auf dem Hof übermütig krähen. Streicher hatte die Vorhänge aufgezogen und die Läden mit einem Knall beiseite gestoßen. Das erste graue Tageslicht erhellte das Zimmer, und durchs offene Fenster strömte kalte Luft herein.
Sobald Streicher sie alle geweckt hatte, führte er sie zu den Schlafzimmern. Als sie hinkamen, sahen sie, dass sie froh sein konnten, seinen Rat befolgt zu haben: Die Fenster waren aufgebrochen worden und hingen lose in den Angeln, die Vorhänge flatterten im Wind, die Betten waren um und um gewühlt, die Kissen aufgeschlitzt am Boden, und die braune Decke war in Fetzen gerissen.
Sofort ging Streicher den Wirt holen. Der arme Herr Butterblüm, unausgeschlafen, war entsetzt. Die ganze Nacht hatte er kaum ein Auge zugetan, sagte er, aber gehört hatte er nichts.
»So was ist mir ja im Leben noch nicht passiert!«, rief er händeringend. »Können denn die Gäste nicht mehr unbehelligt in ihren Betten schlafen! Und die guten Kissen sind auch hin, und was nicht noch alles! Was kommt denn da noch auf uns zu?«
»Finstere Zeiten!«, sagte Streicher. »Aber einstweilen wird man dich wohl in Ruhe lassen, wenn du uns erst los bist. Wir brechen gleich auf. Vergiss das Frühstück; ein Schluck und ein Happen im Stehen müssen genügen. In ein paar Minuten haben wir gepackt.«
Herr Butterblüm rannte los, um ihre Ponys bereitmachen zu lassen und den »Happen« herbeizuschaffen. Aber gleich kam er verzweifelt wieder: Die Ponys waren verschwunden! Alle Stalltüren waren in der Nacht geöffnet worden, und die Tiere waren fort, nicht nur Merrys Ponys, sondern sämtliche Ponys und Pferde, die dort gestanden hatten.
Frodo war niedergeschmettert. Wie sollten sie jetzt nach Bruchtal gelangen, zu Fuß, gejagt von berittenen Feinden? Der Mond wäre nicht schwerer erreichbar. Streicher saß eine Weile da und schwieg; er sah die Hobbits an, als wollte er ihre Kraft und ihren Mut abschätzen.
»Mit Ponys könnten wir den Reitern auf ihren Pferden ohnehin nicht entkommen«, sagte er schließlich, als hätte er erraten, was Frodo im Kopf herumging. »Wir dürften zu Fuß nicht sehr viel langsamer vorankommen, nicht auf den Wegen, die ich einzuschlagen gedenke. Ich wäre ohnehin gelaufen. Nur mit den Vorräten und dem Gepäck wird es schwierig. Wir können für den ganzen Weg bis Bruchtal nicht darauf zählen, irgendetwas Essbares zu finden, sondern müssen alles mitnehmen, und zwar reichlich, denn es kann sein, dass wir aufgehalten werden oder weite Umwege machen müssen. Wie viel könntet ihr euch denn jeder auf den Rücken laden?«
»So viel, wie nötig«, sagte Pippin, Böses ahnend, aber bestrebt zu zeigen, dass er stärker war, als man ihm ansah (und er selbst es sich zutraute).
»Ich kann für zwei tragen«, sagte Sam herausfordernd.
»Kann man da nichts machen, Herr Butterblüm?«, fragte Frodo. »Könnten wir im Dorf nicht ein paar Ponys bekommen, oder wenigstens eines für das Gepäck? Mieten könnten wir sie nicht, glaube ich, aber vielleicht kaufen«, fügte er hinzu, doch im Zweifel, ob er sie bezahlen könnte.
»Ich fürchte, nein«, sagte der Wirt bekümmert. »Die zwei, drei Reitponys, die es in Bree gab, standen bei mir im Stall und sind fort. Und andere Tiere, Zugpferde, Lastponys und dergleichen, davon gibt es hier in Bree sehr wenige, und die werden nicht verkäuflich sein. Aber ich will sehn, was man tun kann. Ich scheuche gleich mal Bob aus dem Bett. Er soll schleunigst losgehn und
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