Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
ihr nicht die Kraft des eigenen Herzens und könnt nicht voraussehen, was einem jeden unterwegs begegnet.«
»Treulos wär es, Lebewohl zu sagen, wenn sich die Straße verdunkelt«, sagte Gimli.
»Mag sein«, sagte Elrond. »Doch wie soll einer schwören, im Dunkeln weiterzugehn, wenn er die Schwärze der Nacht nicht gesehen hat?«
»Doch ein Schwur kann das wankelmütige Herz stärken«, sagte Gimli.
»Oder es zerbrechen«, sagte Elrond. »Blickt nicht zu weit voraus! Geht nun und seid guten Mutes! Lebt wohl, und der Segen der Elben, der Menschen und aller freien Völker begleite euch! Sternenschein sei auf euren Gesichtern!«
»Macht’s … macht’s gut!«, rief Bilbo, vor Kälte stotternd. »Tagebuch wirst du ja wohl nicht führen können, Frodo, mein Junge, aber du berichtest mir alles haarklein, wenn du zurück bist, ja? Und bleib nicht zu lange! Lebe wohl!«
Noch viele andere aus Elronds Hausvolk standen im Schatten, sahen ihrem Aufbruch zu und sagten ihnen leise Lebewohl. Niemand lachte, kein Lied und keine Musik war zu hören. Schließlich wandten die Gefährten sich zum Gehen und tauchten schweigend in die Dämmerung ein.
Sie gingen über die Brücke und stiegen langsam den steilen, gewundenen Pfad hinan, der aus dem tiefen Bruchtal hinausführte, bis sie auf das Hochmoor kamen, wo der Wind durchs Heidekraut pfiff. Sie warfen noch einen Blick auf das Letzte Heimelige Haus, dessen Lichter unten schimmerten, und schritten davon in die Nacht.
An der Bruinenfurt verließen sie die Straße und gingen auf schmalen Pfaden südwärts durch das hügelige Land. Diese Richtung gedachten sie auf der Westseite des Gebirges über viele Meilen und Tage hin beizubehalten. Das Land war hier viel unebener und kahler als im grünen Tal des Großen Stroms in Wilderland auf der anderen Seite der Bergkette, und sie würden langsamer vorankommen; doch auf diese Weise hofften sie sich dem Blick unfreundlicher Augen zu entziehen. Saurons Späher hatte man bisher nur selten in diesem unbewohnten Landstrich gesehen, und die Wege waren außer den Bewohnern von Bruchtal nur wenigen bekannt.
Gandalf ging voraus, neben ihm Aragorn, der die Gegend auch im Dunkeln kannte. Die andern folgten, mit Legolas, der vortreffliche Augen hatte, als Letztem. Der erste Teil ihrer Wanderung war hart und mühsam, und Frodo behielt wenig davon in Erinnerung, nur den Wind. An vielen sonnenlosen Tagen blies er eisig von den Bergen im Osten herab, und keine Kleidung schien dick genug, um seine tastenden Finger fernzuhalten. Obwohl sie alle gut eingekleidet waren, wurde es ihnen selten warm, ob sie nun marschierten oder rasteten. Am Vor- und Nachmittag schliefen sie unbequem in irgendeiner Bodensenke oder versteckt unter verfilzten Dornensträuchern, die an vielen Stellen in Gebüschen zusammenstanden. Am späten Nachmittag weckte sie der Wachtposten, und sie nahmen ihre Hauptmahlzeit ein: in der Regel kalt und unbehaglich, denn nurselten konnten sie es riskieren, Feuer zu machen. Abends gingen sie weiter, immer so genau südwärts, wie es die Wege erlaubten.
Zuerst schien es den Hobbits, so wacker sie auch dahinstapften und gegen die Müdigkeit ankämpften, dass sie nur wie Schnecken vorwärts krochen und niemals irgendwo ankommen würden. Jeden Tag sah das Land noch genauso aus wie am Tag zuvor. Doch allmählich rückten die Berge näher. Südlich von Bruchtal stiegen sie höher an und zogen sich ein wenig nach Westen; und zu Füßen der Hauptkette erstreckte sich ein immer breiter werdender Streifen Land voller kahler Hügelkuppen und tiefer Täler mit schäumenden Bächen. Es gab nur wenige Pfade, und oft führten sie mit vielen Windungen nur an den Rand eines Abgrunds oder in tückische Sümpfe hinunter.
Vierzehn Tage waren sie unterwegs, als das Wetter umschlug. Der Wind ließ nach und wehte nun von Süden. Die schnell fliegenden Wolken stiegen höher und zerstreuten sich, und die Sonne kam hervor, hell und blass. Nach einem langen, mühsamen Nachtmarsch stolperten sie in einen kalten, klaren Morgen hinein. Sie erreichten einen niedrigen Hügelkamm, auf dem uralte Stechpalmen oder Hulstbäume standen; ihre graugrünen Stämme schienen aus dem Gestein der Berge zu bestehen. Ihre dunklen Blätter glänzten, und die Beeren leuchteten rot im Licht der aufgehenden Sonne.
Weit im Süden konnte Frodo verschwommen die Umrisse hoher Berge erkennen, die quer zur Marschrichtung der Gefährten zu stehen schienen. Links von dieser Kette erhoben sich
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