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Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Titel: Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John R Tolkien
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dieser Entfernung behexen?«
    »Letzteres wäre am wahrscheinlichsten, wenn man leichtsinnigerweise bis an seine Tür geritten käme«, sagte Gandalf. »Aber man kann nicht wissen, wozu er imstande wäre oder was er versuchen könnte. Einem in die Enge getriebenen wilden Tier nähert man sich nie ohne Gefahr. Und Saruman hat Kräfte, von denen ihr nichts ahnt. Hütet euch vor seiner Stimme!«
    Sie kamen an den Fuß des Orthancfelsens. Er war schwarz, und das Gestein schimmerte, als wäre es feucht. Die vielen Seitenflächenhatten scharfe Kanten, wie frisch herausgemeißelt. Ein paar Kratzer in Bodennähe und kleine, flockenartige Splitter waren die einzigen Spuren, die die Raserei der Ents daran hinterlassen hatte.
    Auf der Ostseite, im Winkel zwischen zwei Strebepfeilern hoch über dem Boden, war eine große Tür, darüber ein Fenster mit geschlossenen Läden, das auf einen Balkon mit eisernen Geländerstangen hinausging. Zur Tür hinauf führte eine Treppe von siebenundzwanzig breiten Stufen, die mit einer unbekannten Kunst in denselben schwarzen Stein gehauen waren. Dies war der einzige Eingang in den Turm; doch in die Wände waren viele schmale, hohe Fenster mit tiefen Leibungen eingelassen; von weit oben spähten sie wie kleine Augen von den steilen Felshörnern herab.
    Am Fuß der Treppe saßen Gandalf und der König ab. »Ich gehe hinauf«, sagte Gandalf. »Ich war schon einmal hier und kenne die Gefahr.«
    »Und ich gehe auch hinauf«, sagte der König. »Ich bin ein alter Mann, und keine Gefahr kann mich mehr schrecken. Ich will mit dem Feind sprechen, der mir so viel zuleid getan hat. Éomer soll mir zur Seite gehen, damit meine alten Füße nicht straucheln.«
    »Wie Ihr wollt«, sagte Gandalf. »Mich soll Aragorn begleiten. Lasst die andern am Fuß der Treppe warten. Dort werden sie genug sehen und hören, wenn es etwas zu sehen oder zu hören gibt.«
    »Nein!«, sagte Gimli. »Legolas und ich wollen aus der Nähe zusehen. Wir sind hier die einzigen Vertreter unserer Arten. Wir kommen mit.«
    »Dann kommt!«, sagte Gandalf und stieg neben Théoden die Stufen hinauf.
    Zu beiden Seiten der Treppe saßen die Reiter von Rohan unruhig auf ihren Pferden und blickten finster an dem hohen Turm empor, voller Befürchtungen, was ihrem König zustoßen könnte. Merry und Pippin saßen auf der untersten Stufe. Sie kamen sich überflüssig vor, und zugleich fühlten sie sich alles andere als sicher.
    »Eine halbe Meile Schlamm von hier bis zum Tor«, brummte Pippin. »Wenn ich mich doch unbemerkt zum Wachraum zurückschleichen könnte! Wozu sind wir hergekommen? Uns brauchen sie hier doch nicht.«
    Gandalf stand vor der Tür des Turms und schlug mit seinem Stab dagegen. »Saruman!«, rief er mit lauter, gebieterischer Stimme. »Saruman! Saruman, komm hervor!«
    Die Antwort ließ eine Weile auf sich warten. Endlich wurde das Fenster über der Tür geöffnet, aber in dem dunklen Spalt war niemand zu sehen.
    »Wer da?«, sagte eine Stimme. »Was wünscht ihr?«
    Théoden fuhr zusammen. »Die Stimme kenn ich«, sagte er. »Verflucht sei der Tag, da ich zum ersten Mal auf sie hörte!«
    »Geh und hole Saruman, wenn du inzwischen sein Laufbursche geworden bist, Gríma Schlangenzunge!«, sagte Gandalf. »Und stiehl uns nicht die Zeit!«
    Das Fenster wurde geschlossen. Sie warteten. Plötzlich hörten sie eine andere Stimme, leise und melodisch, allein durch den Klang schon betörend. Wer arglos dieser Stimme lauschte, wusste nachher meistens nicht mehr, was sie eigentlich gesagt hatte; erinnerte er sich aber, so wunderte es ihn, wie wenig Kraft die Worte allein noch besaßen. Die meisten wussten dann nur noch, dass es eine reine Freude gewesen war, diese Stimme anzuhören, und dass alles, was sie sagte, gerecht und vernünftig klang und im Zuhörer den Wunsch erweckte, durch rasche Zustimmung die eigene Klugheit zu beweisen. Was andere sagten, klang dagegen grob und ungeschlacht; und wenn sie der Stimme widersprachen, entbrannte Zorn im Herzen der Bezauberten. Bei manchen wirkte der Zauber nur, solange die Stimme zu ihnen selbst sprach; und wenn sie sich an einen anderen wandte, lächelten sie wie Männer, die einen Gauklertrick durchschauen, den andere bestaunen. Viele hielt allein der gegenwärtige Klang der Stimme im Bann, aber bei denen, die ganz von ihr bezwungen waren, wirkte der Zauber fort, wenn sie weit entfernt waren; und immer hatten sie dann diese leise Stimme im Ohr, die auf sie einredete und sie anspornte.

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