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Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)

Titel: Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John R Tolkien
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Während er noch von einer Seite zur andern blickte, kam er mit dem Gefolge des Königs an den Fuß der hohen Felswand an der Ostseite des Tals. Hier begann der Wegjäh anzusteigen, und Merry schaute erstaunt hinauf. Er befand sich auf einer Straße, wie er noch keine gesehen hatte, eines der großen Werke von Menschenhand aus Zeiten, an die kein Lied mehr erinnerte. Sie wand sich schlangengleich empor, grub sich durch den kahlen Fels. Steil wie eine Treppe zog sie sich in Schleifen nach rechts und links in die Höhe. Pferde konnten auf ihr gehen, und auch Wagen ließen sich langsam hinaufziehen; doch kein Feind konnte auf diesem Wege kommen, es sei denn aus der Luft, wenn die Straße von oben verteidigt wurde. An jeder Kehre standen große aufrechte Steine, zu menschenähnlichen Gestalten behauen, riesenhaft und mit plumpen Gliedmaßen, sitzend mit übergeschlagenen Beinen, die stämmigen Arme vor den dicken Bäuchen gefaltet. Manche hatten in der Verwitterung der Jahre alle Gesichtszüge bis auf die dunklen Augenlöcher verloren, die noch immer die Vorüberkommenden wehmütig anblickten. Die Reiter sahen kaum hin. Die Púkel-Menschen nannten sie diese Figuren, und sie schenkten ihnen wenig Beachtung: Weder Macht noch Schrecken gingen mehr von ihnen aus; Merry aber betrachtete sie mit Verwunderung und einem Gefühl, das dem Mitleid nahe kam, als sie traurig in der Dämmerung vor ihm aufragten.
    Nach einer Weile blickte er zurück und sah, dass er schon einige hundert Fuß über dem Talgrund war, aber noch immer konnte er undeutlich die lange Schlange der Reiter erkennen, die unten die Furt durchquerten und sich dann auf der Straße zu dem für sie vorbereiteten Lager begaben. Nur der König und seine Leibwache ritten zur Festung hinauf.
    Schließlich kamen sie über einen steilen Buckel, wo die Straße in einem Durchstich zwischen Felswänden einen kurzen Hang hinauf und dann auf eine weite Hochfläche hinausführte. Firienfeld hieß sie bei den Menschen, eine Bergwiese mit Gras und Heidekraut, hoch über dem tief eingegrabenen Bett des Schneeborn und im Schoß der hohen Berge im Hintergrund: das Starkhorn im Süden, die sägezähnigen Gipfel des Irensaga im Norden und der Dwimorberg in der Mitte, der Geisterberg, dessen schwarze Wand sichvor den Reitern über steilen, mit düsteren Kiefern bewachsenen Hängen erhob. In zwei Hälften geteilt wurde die Hochfläche von einer Doppelreihe unbehauener, aufrecht stehender Steine, die in die Dämmerung hineinführte, bis sie zwischen Bäumen verschwand. Wer es wagte, diesem Weg zu folgen, kam bald zum schwarzen Dimholt-Wald unter dem Dwimorberg, der drohenden Steinsäule und dem gähnenden Rachen des verbotenen Tors.
    Dies war die düstere Festung Dunharg, das Werk längst vergessener Menschenvölker. Selbst ihren Namen kannte man nicht mehr, und weder Lied noch Legende erinnerten an sie. Zu welchem Zweck sie diesen Platz angelegt hatten, ob als Wohnstatt, als verborgenen Tempel oder Friedhof ihrer Könige, wusste niemand. Hier hatten sie sich in den Dunklen Jahren abgemüht, bevor noch das erste Schiff an den Westküsten gelandet war oder die Dúnedain das Reich von Gondor errichtet hatten; und nun waren sie verschwunden, und nur die alten Púkel-Menschen saßen noch immer an den Kehren der Straße.
    Merry schaute die Reihen der Steine entlang. Sie waren verwittert und schwarz, manche standen schief oder waren umgefallen, hatten Sprünge oder waren zerbrochen; sie sahen aus wie zwei Reihen alter, hungriger Zähne. Er fragte sich, was dies wohl für Steine sein mochten, und hoffte nur, dass der König ihnen nicht bis in die Dunkelheit hinein folgen würde. Dann sah er Gruppen von Zelten und Hütten zu beiden Seiten des von den Steinen bezeichneten Weges, aber nicht in der Nähe der Bäume, sondern anscheinend auf Abstand zu ihnen bedacht und bis an den Rand der Felswand gedrängt. Die meisten befanden sich auf der rechten Seite, wo das Firienfeld breiter war; auf der linken Seite war ein kleineres Lager mit einem großen Zelt in der Mitte. Von dorther kam ihnen nun ein Reiter entgegen, und sie bogen vom Weg ab.
    Als sie näher kamen, sah Merry, dass der Reiter eine Frau war, mit langen, im Dämmerlicht schimmernden Haarflechten; darüber aber trug sie einen Helm, und bis zum Gürtel war sie wie ein Kriegsmann gekleidet, mit einem Schwert an der Seite.
    v»Seid gegrüßt, Gebieter der Mark!«, rief sie. »Von Herzen freut mich Eure Rückkehr.«
    »Und bei dir, Éowyn«,

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