Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
singen:
He! He! He! An die Buddel geh,
Heil dein Herz, ertränk dein Weh!
Falle Regen oder Schnee,
Meilen, Meilen, Meilen geh!
Doch unterm Baume, da werd ich ruhn,
Wolken zählen und nichts mehr tun.
He! He! He! fingen sie, nun lauter, noch mal an. Dann plötzlich verstummten sie. Frodo sprang auf. Der Wind trug einen lang gedehnten Schrei heran, wie das Wehklagen eines einsamen, bösen Geschöpfs. Der Schrei schwoll an, fiel ab und endete auf einen schrillen durchdringenden Ton. Während sie noch wie erstarrt waren, antwortete ein zweiter Schrei, schwächer und aus größerer Entfernung, aber nicht weniger markerschütternd. Dann trat Stille ein, durchbrochen nur vom Rascheln der Blätter im Winde.
»Was meinst du wohl, was das war?«, fragte Pippin schließlich, um einen beiläufigen Ton bemüht, aber mit leicht flatternder Stimme. »Wenn das ein Vogel war, dann einer, den ich im Auenland noch nie gehört habe.«
»Das war weder ein Vogel noch ein Tier«, sagte Frodo. »Es war ein Ruf oder Signal; der Schrei trug Worte, auch wenn ich sie nicht verstehen konnte. Jedenfalls war es kein Hobbit.«
Mehr sagten sie dazu nicht. Alle dachten sie an die Reiter, aber keiner sprach von ihnen. Nun wussten sie nicht, ob sie bleiben sollten, wo sie waren, oder weitergehen; aber früher oder später mussten sie doch durchs offene Gelände, um zur Fähre zu kommen, und darum am besten früher und bei Tageslicht. Schnell hatten sie die Rucksäcke wieder geschultert und machten sich auf den Weg.
Nicht lange, und der Wald war plötzlich zu Ende. Weithin vor ihnen erstreckten sich Wiesen. Sie sahen, dass sie tatsächlich zu weit nach Süden abgekommen waren. Über das flache Land hin konnten sie in der Ferne den niedrigen Hügel von Bockenburg auf dem andern Flussufer erkennen, aber er lag nun weit zur Linken. Vorsichtigschlichen sie aus dem Wald hervor und gingen dann, so schnell sie konnten über das offene Gelände.
Zuerst hatten sie Angst, weil der Wald sie nun nicht mehr schützte. Weit hinter ihnen ragte der Berg auf, wo sie gefrühstückt hatten. Fast erwartete Frodo, dort oben den kleinen dunklen Umriss eines Reiters gegen den Himmel abstechen zu sehen, doch da war keiner. Die Sonne, die nun schon zu den Bergen hin sank, von denen die Hobbits gekommen waren, zerriss die Wolkendecke und schien wieder hell. Ihre Angst legte sich; aber ganz wohl war ihnen nicht. Doch nun kamen sie immer weiter in bebautes und abgeteiltes Land, und bald gingen sie durch wohlbestellte Felder und Wiesen, mit Hecken, Pforten und Abzugsgräben. Alles wirkte still und friedlich, wie nur irgendein Fleckchen im Auenland. Ihre Stimmung besserte sich mit jedem Schritt. Die Uferlinie des Flusses war schon zu sehen, und allmählich erschienen ihnen die Schwarzen Reiter wie Waldgespenster, die sie nun weit hinter sich gelassen hätten.
Sie gingen am Rand eines großen Rübenackers entlang und kamen an ein solides Hoftor. Dahinter führte ein ausgefahrener Weg zwischen niedrigen, sauber gestutzten Hecken zu einer Baumgruppe in einiger Entfernung. Pippin blieb stehen.
»Ich kenne doch diese Felder und dieses Tor!«, sagte er. »Das ist Bohnfurch, der Besitz des alten Bauern Maggot. Da hinten zwischen den Bäumen steht sein Haus.«
»Das hat mir gerade noch gefehlt!«, sagte Frodo und machte ein Gesicht, als hätte Pippin ihm erklärt, der Feldweg führe zu einer Drachenhöhle. Die andern beiden sahen ihn erstaunt an.
»Was hast du gegen den alten Maggot?«, fragte Pippin. »Er ist ein guter Freund aller Brandybocks. Freilich, wenn man unbefugt sein Land betritt, versteht er keinen Spaß; und er hat bissige Hunde – aber schließlich müssen die Leute hier so nah an der Grenze etwas schärfer aufpassen.«
»Ich weiß«, sagte Frodo, »aber trotzdem« – und er lachte verlegen –, »ihm und seinen Hunden möchte ich um jeden Preis aus dem Weg gehen. Jahrelang habe ich um sein Gehöft einen Bogengemacht. Er hat mich einige Mal beim unbefugten Pilzsammeln erwischt, als ich noch ein Junge war und auf Brandygut wohnte. Das letzte Mal hat er mich verdroschen und mich dann seinen Hunden vorgeführt. ›Da, seht mal, ihr Kerlchen!‹ hat er zu ihnen gesagt, ›das nächste Mal, wenn dieser Lausebengel den Fuß auf meinen Grund und Boden setzt, dürft ihr ihn fressen. Und jetzt macht ihm Beine!‹ Sie haben mich den ganzen Weg bis zur Fähre gehetzt. Über den Schrecken bin ich nie weggekommen – obwohl ich zugeben muss, dass die Biester ihr Handwerk
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