Der Herr der Unruhe
grobschlächtigen Schreck aller Apparate zu plaudern? In der Zeit, als Manzini den Kontakt zwischen seiner Tochter und dem Hüter der L e bensuhr eingeschränkt hatte, glaubte Nico in Uberto so e t was wie kameradschaftliche Gefühle geweckt zu haben. Wenn er sich Uberto offenbarte, würde der ihn seinem Herrn beschreiben und ihn jederzeit identifizieren können. Ach was, er musste das Risiko eingehen.
Entschlossen betrat Nico das Lokal. Ohne auf den frage n den Blick des Wirtes zu achten, ging er geradewegs auf den Chauffeur zu.
»Guten Abend, Uberto.«
Der Angesprochene ließ das Rückgrat des Fisches fallen und sah ihn verdutzt an. »Kennen wir uns?«
Nico musste unweigerlich schmunzeln. Also hat Bruno doch Recht gehabt. Er setzte sich dem Chauffeur gegenüber an den Tisch, faltete die Hände über der Platte und sagte ruhig: »Ich bin’s, Niklas Michel.«
Ubertos Augen wurden groß. »Jesus Maria! Ich habe dien überhaupt nicht erkannt. Heißt du jetzt nicht anders?«
»Nicht so laut!«, mahnte Nico flüsternd. »Was deine Fr a ge angeht, so lautet die Antwort: Nein. Ich war schon i m mer Nico dei Rossi, der Sohn des ermordeten Uhrmache r meisters Emanuele.«
Uberto erschrak. »Wenn Don Massimiliano spitzkriegt, dass du dich hier herumtreibst, wird er seine Kettenhunde auf dich hetzen.«
»Es liegt in deiner Hand, ihm davon zu erzählen, Uberto. Wirst du es tun?«
Der Chauffeur wich dem durchdringenden Blick seines Gegenübers aus. »Don Massimiliano ernährt mich, seit ich vor fast zwanzig Jahren aus dem Gefängnis gekommen bin.«
»Du hast gesessen?« Jetzt war es an Nico, überrascht zu sein.
Der Hüne nickte unwirsch. »Hab einem frechen Gro ß maul die Visage verbeult. Dass der Bursche ein hohes Tier bei den Sozialisten war, hab ich zu spät erfahren.«
»Du hast einen Politiker vermöbelt?« Nico musste ein lautes Auflachen unterdrücken. »So etwas kriegst auch nur du fertig. Hat sich Don Massimiliano in deiner Gegenwart über mich geäußert?«
»Er sagte nach seiner Freilassung, dass du ein Verräter bist. Er will dich unter seiner Schuhsohle zertreten wie eine Kakerlake.«
»Wenigstens macht er aus seinem Herzen keine Mörde r grube. Bist du seiner Meinung, Uberto?«
Immer noch wollte es dem Chauffeur nicht recht geli n gen, Nico in die Augen zu sehen. »Nein«, druckste er. »Du bist in Ordnung. Irgendwie mag ich dich, Niklas.«
»Scheint dir ja unheimlich schwer zu fallen, das z u zugeben.«
Der Ober kam an den Tisch und fragte den neuen Gast nach seinen Wünschen. Als der sich unschlüssig zeigte, verlangte Uberto einfach ein zweites Glas und schenkte Nico von seinem Weißwein ein.
»Mein Lieblingstropfen: Cacchione .«
Der so Eingeladene bedankte sich, erwiderte das Salute seines Gastgebers und trank einen Schluck.
»Muss ich jetzt eigentlich Nico zu dir sagen?«, fragte U berto.
»Mir wäre lieber, meine wahre Identität würde noch eine Weile geheim bleiben.«
»Warum?«
»Weil ich glaube, dass in Wirklichkeit unser ehrenwertes Stadtoberhaupt der Verräter ist. Hast du ihn je zu irgen d welchen Lagerhäusern oder Schuppen gefahren, in denen Lebensmittel oder Baumaterialien gehortet werden?«
Uberto antwortete nicht, aber sein Gesicht war ein einz i ges Ja.
Nico nickte. »Hab ich mir schon gedacht. Mit dem Zeug hat er den Deutschen geholfen, die Gegend schneller unter ihre Kontrolle zu bringen, weil sie nur ihre Waffen mitz u bringen brauchten. Mich würde interessieren, ob er dem Feind noch andere Dinge geliefert hat.«
»Verlange bitte nicht von mir, dass ich Don Massimiliano verpfeife.«
»Nein, hab schon verstanden: Wer schweigt, der bleibt. Vermutlich verrät dein Herr und Meister sowieso niema n dem etwas von seinen Machenschaften, sondern sperrt alles in seinen neuen Tresor ein.«
»Welchen neuen Tresor?«
Der Schuss ins Blaue war ein Treffer. Nico musste sich beherrschen, um äußerlich ungerührt zu bleiben. »Ich meine natürlich nicht buchstäblich neu, sondern nur wegen der anderen Kombination. Wie ich ihn kenne, war er stinksauer, weil er sich nach dem Verschwinden seiner Dokumente neue Nummern merken musste.«
Der Fahrer strich sich mit der Oberseite des Zeigefingers erst über die linke, dann über die rechte Seite seines Schnurrbartes und nickte bestätigend. »Don Massimiliano hat ganz schön getobt, nachdem jemand seine Zahlen au s geplaudert hat. Ich war’s aber nicht.«
»Sag bloß, du kanntest sie?«
»Ach was! Mir sagt er doch so was
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