Der Herr der Unruhe
pausenlos mit e i nem Hund? Ich habe fast den Eindruck, du fühlst dich ta t sächlich so, weil deine Herrschaft dich ständig so beha n delt. Ich weiß, dass du nicht im Haus warst, als mein Vater ermordet wurde. Dich trifft an seinem Tod also keine Schuld. Ich möchte lediglich von dir wissen, ob du Don Massimiliano am 2. April 1932 gegen zwanzig Uhr zum Haus des Uhrmachers gefahren hast.«
Uberto wirkte wie versteinert. Doch in seinen Augen fl a ckerte Panik.
Weil sich eine Änderung dieses Zustandes auch nach e i ner Minute noch nicht abzeichnete, fügte Nico hinzu: »Also gut. Ich sehe ein, dass du nicht gegen deinen Ehrenkodex verstoßen kannst. Aber vielleicht ist es dir möglich, mir anders zu helfen. Du brauchst nichts zu sagen. Aber wenn ich mit meiner Vermutung Recht habe, wenn du wirklich in jener bewussten Nacht deinen Herrn zum Haus meines V a ters gefahren hast, dann könntest du vielleicht vor mir den nächsten Schluck aus deinem Weinglas nehmen.«
Wieder zeigte der Chauffeur keine Reaktion.
Nach einem langen Moment des gegenseitigen Belauerns streckte Nico langsam die Hand zum Glas aus.
Endlich erwachte Uberto. Rasch nahm er sein Trinkgefäß und kippte den Inhalt mit einer trotzigen Bewegung hinu n ter.
13. KAPITEL
Der Goldsucher
Pontinische Sümpfe und Rom, 1943
Er musste noch einmal an den Tresor heran. Aber wie? N i co sorgte sich nicht um die Schlösser im Palazzo Manzini, die waren seine Verbündeten. Aber von Guido Valletta, dem neuen Leibwächter des Stadtvorstehers, konnte man selbiges wohl nicht annehmen.
Wenigstens hatte Uberto Dell’Uomo einige viel verspr e chende Signale ausgesandt. Er könnte ein zweiter Zeuge werden, wenn es je zu einem Prozess gegen den Mörder von Emanuele dei Rossi kommen sollte. Die bisher aus dem Palazzo erbeuteten Schriftstücke ließen eine Seite Manzinis erkennen, die ihm Nico früher nicht zugetraut hätte. Der Ganove hatte seine Listen mit buchhalterischer Gründlic h keit geführt. Er hatte es nicht einmal übers Herz gebracht, das Auftragsbuch seines Mörders zu vernichten. Mögl i cherweise bewahrte er auch noch weitere Beweise in se i nem Anwesen auf. Deshalb – und wegen der Uhr seines Vaters – wollte Nico den Safe noch ein zweites Mal plü n dern.
Gerne hätte er sich in der Angelegenheit mit Bruno ber a ten. Am Morgen nach der Unterhaltung in der Trattoria schwang sich Nico in Albinos Sattel und fuhr, ständig auf der Hut vor Militärpatrouillen, durch die Pontinischen Sümpfe. Dabei machte er eine überraschende Entdeckung. Die Deutschen hatten die Pumpen gestohlen. Das von den Kriegsveteranen mit so viel Schweiß trockengelegte Land verwandelte sich stündlich in seinen morastigen Urzustand zurück. Obwohl er mit vielen Leuten sprach, die er noch von seiner Hilfsaktion im Frühjahr 1940 kannte, konnte oder wollte ihm niemand sagen, wo sich die Partisanen ve r steckt hielten. Einige Männer und Frauen, darunter auch die Witwe eines im Spanischen Bürgerkrieg gefallenen Sold a ten in Pontinia, zeigten sich zumindest insofern entgege n kommend, als sie den Kämpfern eine Botschaft übermitteln wollten.
»Sagen Sie Bruno Sacchi, dass der Späher vom Forte Sangallo ihn sprechen möchte«, bat Nico sie.
»Und wie kann er Sie finden?«, lautete gewöhnlich die Antwort.
»Da wo der Späher sonntags um sechs gewöhnlich nie hingeht.«
Am späten Nachmittag brach Nico nach Rom auf, weil er Davide und Johan um Rat fragen wollte. Ein Bauer aus A p rilia, dessen Felder jetzt überschwemmt waren, hatte ihm mit Benzin ausgeholfen. Auf Schleichwegen umfuhr er die deutschen Posten und erreichte nach Sonnenuntergang u n behelligt die Ewige Stadt. In der Wohnung des Gol d schmieds im Viertel Sant’Angelo erlebte er eine Überr a schung.
»Johan, Lea, ihr seid hier?« Die ernsten Gesichter der beiden ließen ihn Schlimmes ahnen.
»Setz dich erst einmal und trink einen Schluck«, sagte Davide und gab Salomia einen Wink. Sie verschwand in die Küche und kehrte wenig später mit einem Glas Kräutertee zurück.
Nico nahm derweil am Esstisch Platz und fragte nach dem Grund der gedrückten Stimmung. Die Antwort kam von Johan.
»Der neue Polizeichef von Rom hat den Juden pünktlich zum Jahresabschluss ein Ultimatum gestellt.«
»Polizei? Ich denke, die Wehrmacht kümmert sich jetzt um die öffentliche Ordnung.«
»Der Mann ist von der SS. Du kennst seinen Namen. Es ist Obersturmbannführer Herbert Kappler.«
Nico war froh,
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