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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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beiden Spitzel ließen sich an diesem Abend nicht mehr bl i cken. Vermutlich hatten sie sich bei der Wachablösung über ihren Alfa Romeo gewundert, weil er sich trotzig jedem Startversuch verweigert haben dürfte.
    Nico brachte seine beiden Zieheltern in die Trattoria, d e ren Schaufensterauslagen er vor vielen Jahren einmal mit den Augen verschlungen hatte. Die Wirtin war immer noch dieselbe. Allein begab er sich zu jenem namenlosen Platz, an dem Davide und Salomia Ticiani wohnten. Keine Me n schenseele war zu sehen. Aber wer konnte schon sagen, ob nicht auch hier irgendwo Spitzel hinter den Fenstern laue r ten. Schnell huschte er in das Haus, hinauf zu seinen beiden Freunden.
    Wenig später saßen die fünf Leidensgenossen um einen Tisch, aßen Carciofi alla Giudecca und tranken Rotwein. Davide hatte einen Nachbarsjungen zu Israel Zolli g e schickt, der sich wenig später zu ihnen gesellte. Der Profe s sor war inzwischen mit seiner Familie bei Doktor Fiorent i no untergeschlüpft und riet den Gefährten dringend, seinem Beispiel zu folgen. Um Johan und Lea für die ersten Tage unterzubringen, vermittelte er ihnen ein Quartier bei einem anderen Freund namens Pierantoni – zum Glück verfügte der weltoffene Zolli über einen großen nichtjüdischen B e kanntenkreis.
    Die Ältesten der Gemeinde glaubten sich mit dem Gold die Freiheit erkauft zu haben, aber unter Nico und seinen Gefährten herrschte, als um Mitternacht das Jahr 5704 nach jüdischer Zeitrechnung anbrach, eine gedrückte Stimmung. Natürlich hofften alle, die Übergabe der Schutzgeldzahlung würde den Juden eine Atempause verschaffen.
    Fragezeichen. In Nicos Kopf waren nichts als Frageze i chen, als er auf Nebenstrecken ohne Scheinwerferlicht in der Dämmerung nach Süden brauste – er wollte die deu t schen Posten nicht unnötig stören. Etwa eine Stunde nach Sonnenaufgang traf er bei dem Landwirt ein, der ihm schon einmal geholfen hatte.
    »Kann ich ein oder zwei Nächte bei dir schlafen, Dom e nico?«
    Der Bauer grinste. »Kein Problem. Willst du im Kuhstall übernachten, oder soll Gisella deinen Strohsack wieder auf den Heuboden schaffen?«
    Er wählte Option Nummer zwei und ließ sich von Dom e nicos Frau gerne etwas Brot, Käse und Wasser aufdrängen. Danach schwang er sich wieder in Albinos Sattel und fuhr weiter nach Süden.
    Die Pontinischen Sümpfe hatten schon fast wieder ihr a l tes Aussehen angenommen. Nico wünschte, er hätte sich mit dem stinkenden Hausmittel von Signora Tortora eing e rieben – die Moskitos feierten Hochzeit und waren, wie bei solchen Anlässen üblich, ziemlich durstig. Am späten Vo r mittag fand er die Soldatenwitwe, die er kürzlich schon einmal um Hilfe gebeten hatte.
    »Konnten Sie Kontakt zur Resistenza aufnehmen, Signora Fiori?«
    Die Frau kniete in einem kleinen Gemüsebeet vor ihrem Haus, das noch nicht überschwemmt worden war. Ohne aufzublicken, antwortete sie: »Ihre Nachricht hat den Em p fänger erreicht. Er sagte, Sie sollen sich an den gebroch e nen Pflug wenden.«
    Nico lächelte. »Danke. Sie haben mir sehr geholfen.«
    Nachdem er den wohlwollenden Bauern in Aprilia noch einmal erfolgreich um eine Benzinspende gebeten hatte, machte er sich auf den Weg zur Küste. Um die Mittagszeit erreichte er unbehelligt das Feld beim Torre Astura. Der gebrochene Pflug. Er musste Bruno bei ihrem letzten Tre f fen hier aufgefallen sein. Nico legte beide Hände auf das rostige Metall. Er konnte immer noch die Spannungen sp ü ren, die von der Plackerei unter einem unbarmherzigen B e sitzer stammten und die dem Arbeitsgerät irgendwann das Rückgrat gebrochen hatten. Ob der Bauer inzwischen ve r storben war?
    Endlich fühlte Nico, wonach er gesucht hatte: eine Spur seines Freundes. Er bückte sich, wühlte unter einer der Pflugscharen im Boden und förderte schließlich eine Fl a sche zu Tage. Darin befand sich ein Zettel. Schnell zog er den Korken heraus und ließ die Nachricht in seine Hand gleiten. Brunos Schrift war so ebenmäßig wie eh und je.
     
    Späher vom Forte Sangallo!
     
    Ich habe deine Mitteilung erhalten. Hinterlasse an gle i cher Stelle eine Antwort, wann wir uns am Torre treffen können. Aber sei vorsichtig! Die Banda Koch und die Deu t schen haben zur Treibjagd auf uns geblasen.
     
    Dein Freund
     
    Wie oft würden Bruno oder seine Mitkämpfer diesen t o ten Briefkasten kontrollieren? Nico gab ihnen drei Tage und schlug für das Treffen Sonntag, den 3. Oktober, vor. Nac h dem er die Antwort auf

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