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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Büro.«
    Johan zupfte sich gedankenverloren an einem Haar, das ihm aus der Nase ragte. Plötzlich hellte sich seine Miene auf. »Stell dir vor, der Bursche würde überraschend diens t unfähig, und mit überraschend meine ich von jetzt auf gleich, sozusagen.«
    »Aber das habe ich doch gerade erklärt. Die haben so e t was wie einen Dienstplan. Ein anderer wird ihn vertreten und …«
    »Dann musst du es eben so aussehen lassen, als sei für diesen Ersatz gesorgt. Der Bursche darf keine Gelegenheit zum Nachdenken haben. Er muss fluchtartig das Haus ve r lassen. Dann könntest du die Gelegenheit nutzen und dich in Manzinis Tresor umsehen.«
    Nico stöhnte. »Das sagt sich so leicht. Wie soll ich das anstellen?«
    Johan grinste schelmisch. »Ich hätte da eine Idee …«
     
    Nach etwa sechzig Minuten war Nico bereits wieder auf der Straße. Es wurde bereits dunkel, und er wollte so schnell wie möglich nach Nettunia zurück. Er hatte sein Motorrad im oberen, am Fuße des Gianicolo gelegenen Teil der wie ein U geformten Via Dandolo abgestellt, in dem die betuc h teren Bürger der Stadt residierten. Das Versteck von Johan und Lea lag weiter unten, wo sich das einfache Volk in teilweise schon jahrhundertealten Wohnhäusern drängte.
    Schon wenige Schritte, nachdem er das Gebäude verla s sen hatte, bemerkte er in vielleicht vierzig Metern Entfe r nung einen Mann mit Hut, der eilig in einer Seitenstraße verschwand. Der Ledermantel des Unbekannten harmonie r te auffallend mit einem schwarzen Fahrzeug, das etwas näher am Straßenrand stand. Drinnen saß, reglos wie eine Puppe, ein zweiter Mann mit ähnlicher Kopfbedeckung.
    Nico bückte sich rasch und nestelte an seinem Schnürse n kel herum. Die Sache gefiel ihm nicht. War er zu unvo r sichtig gewesen, als er vom Ghetto aus nach Trastevere fuhr? Hatte man ihn verfolgt? Oder fing er nach der Aufr e gung der letzten Tage schon an, Gespenster zu sehen? Er stand wieder auf, schob seine Fensterglasbrille auf der Nase zurecht, zog sich seine Schiebermütze tiefer ins Gesicht und wechselte auf den gegenüber liegenden Gehweg, um sich den Wagen genauer anzusehen.
    Es war ein Alfa Romeo 6C 2300 turismo, eine geschlo s sene, schwere, viertürige Limousine mit Trittbrettern, hoher schmaler Motorhaube, verchromten Scheinwerfern und kleinen Fenstern. Nico summte ein fröhliches Liedchen vor sich hin und schlenderte nun direkt auf das Fahrzeug zu. Dabei vermied er es, das bleiche Antlitz hinter der Win d schutzscheibe direkt anzuschauen. Gleichwohl bemerkte er die Hasenscharte im auffallend schmalen Gesicht des ung e fähr dreißigjährigen Mannes. Spielerisch ließ Nico seine Fingerspitzen über die lang gestreckte Motorhaube gleiten, als bewundere er die wie aus Stein gemeißelte Form des Alfa. Der Spitzel drinnen konnte ja nicht ahnen, dass der neugierige Bursche draußen mit seinem Wagen »sprach«.
    Das Fahrzeug stand seit ungefähr einer Stunde an diesem Fleck. Es hatte zwei Männer in die Via Dandolo befördert. Und es war die ewige Treiberei durch seine beiden Schi n der satt. Nico machte dem schwarzen Geschöpf Mut. Dann lösten sich seine Fingerkuppen von dem warmen Blech, rissen förmlich davon ab, und er setzte seinen Weg fort.
    An der nächsten Straßenbiegung begann er zu laufen. J o han und Lea waren in großer Gefahr. Er umrundete den Block und kehrte durch ein anderes Gebäude auf die Rüc k seite des verwahrlosten Hauses zurück. Schon beim Einzug seiner Zieheltern hatte er die Fluchtmöglichkeiten ausg e kundschaftet. Jetzt machte sich diese Vorsichtsmaßnahme bezahlt.
    Auf sein lautes Klopfen reagierte hinter der Kellertür eine ängstliche Stimme.
    »Wer ist da?« Es war Lea.
    »Ich bin’s, Nico. Macht schnell auf.«
    Die Kette des Vorhängeschlosses rasselte, dann schwang die Tür quietschend auf. Lea sah ihrem Ziehsohn sofort an, dass etwas nicht stimmte.
    »Was ist passiert?«
    »Draußen lungern zwei Spitzel herum. Sie beobachten das Haus. Ihr müsst fort! Jetzt gleich! Es geht um Leben und Tod!«
     
    Er fühlte sich elend, als er am nächsten Morgen nach Ne t tunia zurückfuhr. Nico hatte in der letzten Nacht, wenn es hoch kam, eine Stunde geschlafen. Mit Johan und Lea war er nach Sant’Angelo gelaufen, um sich mit Davide zu ber a ten. Um nicht aufzufallen, hatten sie nur die allerwichtig s ten Habseligkeiten mitgenommen. Das meiste davon schleppte allerdings Nico, weil Johan nach seinem Lage r aufenthalt nie mehr richtig zu Kräften gekommen war. Die

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