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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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nächtliche Illumination grenzte an Sabot a ge und Landesverrat.
    Nachdem Nico den Lagerraum gefunden hatte, war der Rest ein Kinderspiel. Er ordnete einige Raketen in Ster n formation an, verdrillte und verlängerte ihre Zündschnüre, verband das Ende mit einem primitiven »Zeitzünder« aus einem Kerzenstummel und zog sich lautlos zurück.
    Jetzt – nur wenige Minuten waren seitdem vergangen – wartete er in seinem Versteck an der Piazza Umberto I. darauf, die Früchte seiner Arbeit ernten zu können.
    Gegen zwanzig Uhr dreißig kam Licht und Leben auf die dunkle Bühne. Mit mehreren Fahrzeugen rückte eine Mannschaft deutscher Pioniere an, um sich des Brandes anzunehmen, der noch gar nicht ausgebrochen war. Signora Tortora hatte die Freundlichkeit besessen, Nico diesen A n ruf abzunehmen. Er wollte nicht, dass Laura oder den and e ren Einwohnern des Hauses etwas passierte.
    Der Reihe nach erschienen an der Hauptpforte des Pala s tes das Dienstmädchen Viola, dann Uberto Dell’Uomo, danach Massimiliano Manzini und zuletzt der Oberst, der als Einziger über die Befehlsgewalt verfügte, die hartnäckig auf ihre Löschaktion bestehenden Pioniere heimzuschicken. Als sie gerade wieder abrücken wollten, begann das Feue r werk.
    Zu sehen war für den heimlichen Beobachter am dunklen Fenster natürlich nichts, aber die unüberhörbaren Explosi o nen dauerten ungefähr fünf Minuten. Erst danach traute sich das Lösch- und Räumkommando in die Nähe des Feuers. Die Gewölbe unter dem Palazzo waren dick. Das Haus ü berstand den Vorfall unbeschadet, aber der Ruf seines Herrn bekam neue Risse. Wütend ob der Gefahr, in die ihn Manzini gebracht hatte, verließ der Oberst den Palast.
    »Durch Ihre Unvorsichtigkeit hätten Sie mich fast umg e bracht«, hörte Nico den Offizier auf der Straße brüllen.
    »Ich kann nichts dafür, Oberst Kaltenreutter«, beteuerte der Hausherr. »Das waren die Partisanen.«
    »Das glaube ich Ihnen sogar, Signor Manzini. Die R e sistenza spaziert in Ihrem Haus ein und aus. Sie bereitet Anschläge auf Offiziere der Wehrmacht vor. Und Sie haben angeblich nichts davon gewusst! Die Sache wird ein Nac h spiel haben.«
    Der Oberst kletterte in einen Kübelwagen und fuhr ohne deutschen Gruß davon.
    Nico lächelte. Es war Zeit zu gehen. In wenigen Minuten würden Einheiten der Wehrmacht die leeren Häuser des Viertels durchkämmen. Lautlos wie ein Schatten zog er sich zurück.
     
    Es war schon nach Mitternacht, als Nico beim Torre Ast u ra eintraf. Albino schlummerte wie gewohnt unter Zweigen im benachbarten Wäldchen. Das regnerische Wetter der letzten Tage hatte sich beruhigt. Der Mond ließ sich in den größer werdenden Wolkenlücken zwar immer noch nicht sehen, aber die Sterne funkelten, als wollten sie durch ihre Pracht die Menschen tief unter ihnen zu ehrfürchtigem I n nehalten bewegen. Doch der Krieg ging weiter. Sein ferner Donner hallte selbst jetzt aus den Albaner Bergen herab.
    Mit gewohnter Vorsicht näherte sich Nico dem gemaue r ten Steg, der die Festung mit der sich ins Meer reckenden Landzunge verband. Nirgendwo regte sich etwas. Nach dem Spektakel heute Nacht würde es wohl das Beste sein, sich ein neues Quartier zu suchen. Er wollte nur noch die zwei, drei Habseligkeiten zusammenpacken, die er im Torre versteckt hatte. Vor allem die Göttliche Komödie durfte er nicht hier lassen.
    »›Die Zeit geht hin, und der Mensch gewahrt es nicht‹«, flüsterte er, während er sich leise auf den Steg zubewegte. Er war blind gewesen, hatte die tiefere Bedeutung dieser Worte nicht gesehen, obwohl sie lange genug vor ihm lag.
    Als er das Kirchlein auf der Halbinsel passierte, ließ ihn eine Bewegung zu seiner Rechten zusammenschrecken. Sofort huschte er hinter einen Strauch, der sich an das alte Gemäuer der Annunziata schmiegte.
    »Nico?«
    Die leise Stimme rief ihm einen Schauer über den R ü cken. Das… das glaube ich nicht.
    »Wer ist da?«, wiederholte die Stimme. Obwohl sie sich den Anschein von Festigkeit gab, war ihr die Unsicherheit anzuhören.
    Mit weichen Knien schritt Nico um die Ecke des kleinen Gotteshauses und konnte immer noch nicht fassen, dass mit einem Mal Laura Manzini vor ihm stand.
    »Was um alles in der Welt …?« Ihm fehlten die Worte.
    Laura trug ein dunkles Kleid. Nur ihr schlanker Hals und ihr Antlitz schimmerten fahl im Sternenlicht. »Was hast du mit deinem Gesicht gemacht?«
    »Meinst du den Schnurrbart oder die Rußschicht? Das a l les ist eine längere

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