Der Herr der Unruhe
angekettet hat. Ich vermute, er bewahrt an einem sicheren Ort seine Zeugenaussage auf, für den Fall, dass ihm ein Unglück widerfährt. Hat aus di e sem Grund der ungeschickteste Mensch im Umgang mit Technik, der mir je über den Weg gelaufen ist, bei Ihnen den Posten als Chauffeur bekommen?«
Nicos Hand schnappte vor und griff nach der Ahornkiste. Er spürte das Gewicht der großkalibrigen Uhr. Damit hatte er alles, was er brauchte. Uberto würde sein Schweigen brechen, wenn er Manzini nicht länger zu fürchten brauc h te. Im Nachhinein war Nico das klar geworden, nachdem er sich ihr Gespräch in der Trattoria hatte durch den Kopf g e hen lassen.
Einmal mehr unterschätzte Nico die Tücke seines Ge g ners. Mit überraschender Schnelligkeit schoss auch Manz i nis Hand nach vorn und packte ihn am Unterarm. Ein u n gleiches Ringen begann.
Der schwergewichtige Hausherr zog seinen schmächtigen, sich heftig wehrenden Besucher mit Leichtigkeit über den Tisch. Nico hörte Gegenstände zu Boden fallen, die seine zappelnden Beine heruntergefegt hatten, aber er ignorierte den schmerzhaften Zangengriff und klammerte sich weiter an die Schatulle. »Geben Sie mir die Uhr!«, presste er he r vor.
Manzini grunzte. »Damit du sie zerstören kannst und den Fluch deines Vaters über mich bringst?«
»Sie ist mein Erbe und gehört mir. Mehr will ich …« Das Letzte Wort wurde Nico regelrecht in den Hals zurückg e stampft, als ihn Manzinis Faust im Gesicht traf. Sein Arm wurde von der Wucht des Schlages aus dem menschlichen Schraubstock gerissen. Nico schlug hart auf dem Boden auf. Da entglitt die Kassette seinem Griff. Reflexhaft blic k te er ihr nach. Sie war aufgesprungen. Die Uhr lag jenseits der Teppichkante mit offenem Deckel auf den Steinfliesen. Ein Schatten trat in seinen Gesichtskreis, er wandte sich sofort wieder dem Gegner zu und erschrak.
Manzinis fleischige Rechte umklammerte einen Brieföf f ner. Sein Gesicht war zornrot, die Augen blutunterlaufen. Mit schriller Stimme schrie er: »Du hättest sie fast ze r stört!«
Und dann stieß er zu.
Nico hatte gerade noch genügend Geistesgegenwart, um sich zur Seite zu rollen, aber er spürte einen stechenden Schmerz am Oberarm. Schon die nächste Attacke konnte sein Herz treffen. Verzweifelt versuchte er dem Wahnsi n nigen, der ihm brüllend nachsetzte, zu entkommen. Auf allen vieren krabbelte er davon. Aber Manzini war wend i ger, als man es seinen Körpermassen zutraute. Er packte Nico am Fußgelenk und riss ihn erbarmungslos zurück. Die fleischige Faust mit dem spitzen Stilett hob sich abermals. Nico zappelte und zerrte, er teilte mit dem freien Fuß Tritte aus, aber er kam nicht los. Voller Schrecken sah er dieses irre Grinsen im Gesicht des Mannes, der sich hämisch auf den Abschluss einer vor langem begonnenen Aufgabe zu freuen schien.
Plötzlich hörte Nico das dumpfe Donnern schneller Schritte. Von links flog eine Hand heran, packte Manzinis erhobenen Arm und drehte ihn nach hinten. Der Hausherr verlor das Gleichgewicht. Nico konnte sich losreißen und kroch schnell auf den Teppich wie ein Ringer, der jenseits der Kampfzone Zuflucht suchte.
»Uberto!«, hauchte er.
Der Chauffeur war also nicht geflohen. Er musste i r gendwo in einem der oberen Stockwerke oder in einem Nebenzimmer gewesen sein. Jetzt ging er auf seinen ehem a ligen Befehlshaber und langjährigen Arbeitgeber los.
Die beiden sich nun gegenüberstehenden Kämpfer waren einander schon eher ebenbürtig. Manzini hatte zwar mehr Masse, aber Uberto war größer und athletischer gebaut. Ersterer besaß indes eine Waffe, Letzterer nur seine größere Beweglichkeit.
»Lassen Sie den Jungen in Frieden, Don Massimiliano!«, forderte der Chauffeur. Er stand vornübergebeugt, seine Arme waren leicht ausgebreitet.
»Auch du, mein Sohn Brutus?«, knurrte Manzini. Er klang immer noch siegesgewiss. Blitzschnell schoss seine Hand vor.
Uberto reagierte flink. Er wich der spitzen Klinge aus, stieß aber mit der Schulter gegen die Wand. »Geben Sie doch Ruhe, Don Massimiliano. Ist nicht schon genug Blut vergossen worden?«
Die Antwort bestand in einer zweiten Attacke. Uberto konnte nur noch nach hinten stolpern, weil er zwischen der Wand und seinem Gegner eingekeilt war.
»Ein Vorschlag zur Güte«, sagte Manzini. »Um der alten Zeiten willen. Lass mich noch einen Mord begehen, einen ganz kleinen – viel ist an dem Uhrmachersohn sowieso nicht dran.«
Nico, immer noch auf dem Teppich hegend, rappelte
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