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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sich endlich hoch.
    Manzini musste das Zögern seines Fahrers missversta n den haben, denn er schickte sich an, dem Hüter der Leben s uhr nachzusetzen, Uberto ging jedoch erneut dazwischen. Die beiden Schwergewichte lagen jetzt miteinander im Clinch.
    Nico verfolgte den Kampf auf Leben und Tod mit weit aufgerissenen Augen. Sein Herz hämmerte wie wild. Es schien sich Schlag für Schlag die Luftröhre hochzuarbeiten. Immer wieder blitzten Bilder aus seiner Kindheit auf, als schon einmal zwei Männer so miteinander gerungen hatten.
    Die Kraftanstrengung der beiden Kontrahenten entlud sich in Lauten, die dem Beobachter den Schweiß auf die Stirn trieben. Was konnte er tun, um Uberto zu helfen? Während die beiden ächzten und seltsam brummende G e räusche von sich gaben, suchte er nach einem Gegenstand, der sich als Schlagwaffe gebrauchen ließ. Vor lauter Aufr e gung fand er nichts. Derweil wankten die Ringkämpfer stampfend hin und her.
    »Nein!«, stieß plötzlich Uberto hervor.
    Nico erstarrte. Ungläubig sah er, wie der Chauffeur mit weit aufgerissenen Augen in Manzinis Gesicht glotzte. Dann erschlaffte sein Körper und sank zu Boden. Aus der Brust des Besiegten ragte der Griff des Stiletts.
    Der Sieger stand breitbeinig, mit dem Rücken zum Uh r machersohn, über seinem Opfer. Er keuchte, wankte sogar. Unvermittelt bückte sich Manzini und zog seine Waffe aus dem reglosen Körper. Nachdem er die schmale Klinge an der Chauffeursuniform abgewischt hatte, richtete er sich stöhnend wieder auf.
    Nico hätte längst weglaufen können, aber er war wie g e lähmt. Ohne sich von der Stelle zu rühren, beobachtete er seinen Gegner, der fast schon wieder gerade stand, als er plötzlich nach vorne kippte. Um nicht zu stürzen, aber auch nicht auf den am Boden liegenden Körper zu treten, ve r suchte Manzini über Ubertos Unterleib hinwegzusteigen. Dabei blieb er mit der Fußspitze an dessen Becken hängen, ruderte eine Weile hilflos mit den Armen, drohte nun en d gültig nach hinten zu schlagen, als ihm im letzten Moment doch noch ein Ausfallschritt gelang. Polternd wankte er rückwärts, mit den Armen in der Luft weiterhin um die B a lance kämpfend …
    Das erste Stampfen – er ruderte immer noch. Ein zweites, gefolgt von einem metallenen Geräusch. Und dann das für Massimiliano Manzini schrecklichste Knirschen seines boshaften Lebens.
    Nico stockte der Atem. Manzini war auf die Lebensuhr getreten, sein schwerer Körper hatte sie regelrecht ze r malmt. Das Stilett klapperte auf die Steinfliesen. Als könne er durch sein Zögern noch ungeschehen machen, was da eben passiert war, wagte er nicht, den Fuß zur Seite zu nehmen. Bis er wohl den goldenen Deckel unter seiner Schuhsohle hervorblitzen sah.
    »Der Fluch des Uhrmachers!« Seine Stimme glich einem asthmatischen Keuchen.
    Nico erinnerte sich an die letzten Worte seines Vaters, und unbewusst sprach er sie aus: »Dein Leben soll wie die Unruh der Uhr sein, die du gestohlen hast: unstet, zerbrec h lich und wenn sie einst stehen bleibt, sollst auch du ste r ben.«
    Das massige Haupt des Mörders wandte sich dem Herrn der Unruhe zu. Der blanke Schrecken spiegelte sich auf Manzinis schweißnassem Gesicht. Sein Mundwinkel zuc k te. Er schüttelte den Kopf, erst langsam, dann schneller, bis daraus ein irres Zittern wurde.
    »Nein!«, keuchte er. »Du kannst mich nicht verfluchen. Die Uhr hat keine Macht über mich. Sie …« Manzinis Stimme ging in einem gurgelnden Laut unter. Er fasste sich an die linke Brust. Seine Hand verkrampfte sich zu einer zitternden Kralle. Er begann erneut zu wanken, bekam plötzlich Übergewicht, kippte nach hinten und schlug der Länge nach auf dem Steinboden auf.
     
    Nico hatte später nie sagen können, wie lange er dagesta n den und Manzinis Gesicht angestarrt hatte. Es war eine Momentaufnahme des Schreckens, eingefrorenes Grauen. Die Augen weit aufgerissen, lag der einst mächtigste Mann von Nettunia im Blut seines geborstenen Schädels. Reglos. Tot.
    Unvermittelt vernahm Nico ein leises Stöhnen. Sein Kopf fuhr herum. Uberto bewegte sich.
    Schnell lief er zu dem Mann, ohne den er wohl nicht mehr leben würde, kniete sich zu ihm nieder und nahm seine Pranke. »Uberto, du lebst!«
    »Das sieht nur so aus«, keuchte der Chauffeur. Aus se i nem Mundwinkel sickerte Blut. »Du …«
    »Sag jetzt nichts! Schone deine Kräfte. Die Amerikaner haben bestimmt Sanitäter mitgebracht. Ich werde Hilfe h o len.« Nico wollte schon aufstehen, aber Uberto

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