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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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    Manzini antreten, erklärte Nico hörbar zerknirscht. Er wolle das Versäumte aber irgendwann später am Tag nachholen. Uberto könne die Uhr ja vorsorglich aufziehen.
    Manzini zischte wie ein Dampfkochtopf. Uberto stehe mit
    jeder Art von Technik auf dem Kriegsfuß. Was der nur ansehe das gehe kaputt. Aber dann beruhigte sich der Podestà, überraschend schnell. Andererseits könne man einen Nachbarn nicht seiner Not überlassen. »Machen Sie Ihre Arbeit in den Sümpfen, und wenn Sie fertig sind, dann kommen Sie vorbei, Signor Michel. Laura wird sich in der Zwischenzeit um die Lebensuhr kümmern.«
    Der Herr der Unruhe legte mit einem zufriedenen Grinsen
    auf. Die Aussicht, als barmherziger Samariter durch die Presse zu gehen, schien dem Stadtoberhaupt von Nettunia durchaus zu gefallen. Nico hatte für das Telefonat nicht einmal lügen müssen.
    Bei seinem misstrauischen Gegenspieler wäre das auch viel zu gefährlich. Die Pumpen waren tatsächlich kaputt gegangen. Nur hatten sie sich nicht ganz zufällig am Dreck verschluckt.

    Der 19. Juni war eine traumhafte Vollmondnacht, für Heimlichkeiten eigentlich nicht besonders gut geeignet. Trotzdem kehrte Nico an diesem Mittwoch erst nach Einbruch der Dunkelheit in seine Geburtsstadt zurück. Er drang durch dieselbe Hintertür in den Palazzo Manzini ein, die er bei seinem ersten Besuch zusammen mit Uberto benutzt hatte. Es war kurz nach zweiundzwanzig Uhr. Gewöhnlich lief um diese Zeit, abgesehen vielleicht von Uberto und zwei, drei anderen Bediensteten, kein Personal mehr im Haus herum. Dennoch war es nicht zu spät, um im Falle einer zufälligen Entdeckung zwangsläufig als Bedrohung eingestuft zu werden.
    »Du hast gesagt, dass du noch vorbeischauen wirst. Außerdem holst du dir nur, was dir gehört«, redete sich Nico zum wiederholten Mal ein, während er im unteren Wandelgang sein heftig klopfendes Herz zur Ordnung rief. Es dauerte lang, bis es endlich ruhiger schlug. Ein unangenehmes Jucken an den Schultern 230
    zwang ihn dazu, sich ständig zu kratzen. Endlich setzte er seinen Aufstieg in den ersten Stock fort.
    Weil er kein zweites Mal von Uberto überrascht werden wollte, sah er sich überall gründlich um. Von irgendwo perlte klassische Musik ins Atrium. Das in den Bogengang lallende Mondlicht malte ein silbernes Wellenmuster auf den Steinfußboden. Die Harmonie wurde, soweit Nico das beurteilen konnte, von keinen stillen Spähern in den Schatten oder von einer herumspukenden Donna Genovefa gestört. Trotzdem – man wusste ja nie – lief er so unauffällig wie möglich zum Arbeitszimmer, nur etwas leiser als sonst. Als er die Tür erreichte, erlebte er die erste Überraschung.
    Aus dem Schlüsselloch drang Licht.
    Was nun? Er hatte nicht ernsthaft damit gerechnet, dass Manzini um diese Zeit noch arbeitete. Unvermittelt schwoll die leise dahinplätschernde Musik aus dem Irgendwo zu einem konzertan-ten Schallgewitter an. Nico schreckte unwillkürlich zusammen.
    Die unwillkommene Geräuschkulisse kam von oben. Laura
    hatte dort ihr Zimmer. Mit einem Mal verstummten die Mu-
    sikanten, und eine männliche Stimme verschaffte sich Gehör.
    Nico fühlte für einen Augenblick Eifersucht in sich aufwallen, aber dann fiel ihm der förmliche Ton des anderen auf, der die
    »Feigheit des Engländers« anprangerte, welcher am Vortag die deutschen Städte Hamburg und Bremen bombardiert und dabei unschuldige Frauen und Kinder getötet habe. Der Rivale in Lauras Zimmer war ein Radiosprecher.
    Nico verharrte atemlos vor dem Arbeitszimmer des Podestà.
    Nach einigen Minuten setzte oben die Musik wieder ein und wurde wenig später zu einem kaum noch hörbaren Klangnebel.
    Er atmete erleichtert auf. Jetzt war wohl der richtige Zeitpunkt für den Alternativplan. Er kratzte sich noch einmal an der linken Schulter, um hiernach an die Tür zu klopfen. Bevor er jedoch dazu kam, klingelte drinnen das Telefon.
    Rasch machte er zwei Schritte rückwärts, beugte sich in der Hüfte nach hinten und spähte im Gang nach beiden Seiten. Niemand war zu sehen. Drei Sekunden später klebte sein Ohr am 231
    Schlüsselloch. Er spürte einen schwachen Luftzug, der Manzinis Stimme mit sich trug.
    »… Sie etwas herausgefunden? … Ja …. Was genau bedeu-
    tet das?« Die Stimme im Büro blieb längere Zeit still. Nico biss sich auf die Unterlippe. Nur die eine Seite eines Telefonats zu belauschen war ziemlich unbefriedigend. Endlich ergriff Manzini wieder das Wort. Jetzt klang er nicht mehr so

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